US-Präsident Donald Trump spricht nach der Unterzeichnung einer Durchführungsverordnung zu den Arzneimittelpreisen im Roosevelt Room des Weißen Hauses.
analyse

Hohe Medikamentenpreise in USA Lehrt Trump jetzt Big Pharma das Fürchten?

Stand: 13.05.2025 15:21 Uhr

Präsident Trump will die hohen Medikamentenpreise in den USA drücken. Doch wieso sind Arzneien in den USA so viel teurer als in Deutschland? Und was bedeutet das für die Forschung?

Eine Analyse von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Der Zollstreit mit dem Rest der Welt ist noch nicht beigelegt, da nimmt Donald Trump schon den nächsten Gegner ins Visier. Diesmal ist es die Pharmabranche, die den Zorn des US-Präsidenten auf sich zieht.

Das Weiße Haus hat gestern eine aggressive Preisstrategie für Medikamente enthüllt. Ziel ist es, die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente für amerikanische Verbraucher drastisch um 59 bis 90 Prozent zu senken - per Dekret.

Trump kritisiert das deutsche "sozialistische Gesundheitssystem"

"Obwohl in den Vereinigten Staaten nur vier Prozent der Weltbevölkerung leben, erwirtschaften Pharmaunternehmen mehr als zwei Drittel ihrer Gewinne in Amerika", erklärte Trump bei der Unterzeichnung des Dekrets.

"Wir subventionieren die Gesundheitsversorgung anderer, die nur einen Bruchteil dessen bezahlt haben, was wir zahlen", sagte der Präsident und verwies explizit auf "sozialistische Gesundheitssysteme" wie jenes in Deutschland.

US-Verbraucher zahlen fast dreimal so viel für Medikamente

Tatsächlich liegen die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente in den USA deutlich höher als in anderen Ländern. Einem aktuellen Bericht des US-Thinktanks RAND Corporation zufolge sind die Preise in den USA durchschnittlich 2,78-mal so hoch wie in 33 anderen Ländern der OECD. Im Vergleich zu Deutschland müssen US-Verbraucher bei Arzneien sogar den 2,94-fachen Preis zahlen.

Bei Markenmedikamenten ist die Preislücke zwischen den USA und anderen Ländern sogar noch größer: US-Amerikaner müssen im Schnitt 4,22-mal so viel zahlen wie Bürger in vergleichbaren Ländern.

Insulin in den USA deutlich teurer als in Deutschland

Vor diesem Hintergrund wundert es kaum, dass laut der Non-Profit-Organisation Kaiser Familiy Foundation (KFF) es 28 Prozent der Amerikaner "etwas schwer" oder "sehr schwer" fällt, die Kosten für ihre verschreibungspflichtigen Medikamente zu bezahlen. Dieser Anteil steigt bei denjenigen, die vier oder mehr verschreibungspflichtige Arzneien einnehmen, auf 37 Prozent.

Ein besonders eklatantes Beispiel für die hohen Medikamentenpreise in den USA ist Insulin, ein Hormon, das den Blutzucker reguliert. Insulinspritzen sind für Diabetiker lebensnotwendig. Laut einer RAND-Studie von 2022 kostete Insulin in den USA knapp siebenmal so viel wie in Deutschland. Nicht umsonst hatte Kamala Harris im Wahlkampf vorgeschlagen, die Selbstbeteiligung bei Insulin auf 35 Dollar pro Monat für alle Amerikaner zu begrenzen.

Staatlich regulierte Preisbildung für Medikamente in Deutschland

Wie kommt es aber, dass die Medikamentenpreise hierzulande im Vergleich zu den USA so niedrig sind? Das liegt in erster Linie an der unterschiedlichen Preisgestaltung. In Deutschland gibt es nämlich eine zentrale, staatlich regulierte Preisbildung für Medikamente, insbesondere bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Der Hersteller darf zwar zunächst den Erstpreis festlegen, erhält also im ersten Jahr nach der Markteinführung den vollen Listenpreis - ein positiver Anreiz für innovative Medikamente.

Doch nach Markteintritt eines neuen Medikaments findet eine frühe Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) statt. Auf Basis dieser Bewertung verhandeln der Hersteller und der GKV-Spitzenverband - die gemeinsame Interessenvertretung aller gesetzlichen Krankenkassen und Pflegekassen in Deutschland - innerhalb eines Jahres einen Erstattungspreis, der dann für alle gesetzlichen Krankenkassen gilt.

Der GKV-Spitzenverband bündelt also die Interessen der insgesamt 94 Krankenkassen in Deutschland - das sichert ihm eine starke Verhandlungsmacht gegenüber den Arzneimittelherstellern. Scheitern die Preisverhandlungen, entscheidet eine Schiedsstelle.

Gesundheitskarten
Was ist der G-BA?
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Mitglieder bzw. Trägerorganisationen sind die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband).

Der G-BA entscheidet, welche medizinischen Leistungen (Medikamente, Untersuchungen, Behandlungen) von der GKV gezahlt werden. Er ist also eine Art "oberstes Entscheidungsgremium" für die medizinische Versorgung von über 70 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland.

Pharma-Konzerne haben in den USA - nahezu - freie Hand

In den USA gibt es dagegen keine zentrale Preisbildung. Stattdessen verhandeln einzelne Akteure individuell mit Pharmafirmen: Dabei handelt es sich in erster Linie um Versicherungen und sogenannte Pharmacy Benefit Manager - das sind einzelne Unternehmen, die als Vermittler zwischen Krankenkassen, Arzneimittelherstellern und Apotheken agieren und in den USA rund 70 Prozent der Versicherten betreuen.

Diese wenig strukturierten Preisverhandlungen führen dazu, dass Pharmaunternehmen in den USA die Preise weitgehend frei festlegen können. Das führt dann zu den enormen Preisunterschieden und häufig sehr hohen Kostenbeteiligungen der Patienten in den USA.

Nachahmer-Medikamente spielen große Rolle in Deutschland

Hinzu kommt: In Deutschland spielen Generika, also Nachahmer-Präparate, eine deutlich größere Rolle als in den USA. Denn die Krankenkassen legen einen Referenzpreis für eine Wirkstoffgruppe fest - oft basierend auf dem Preis eines oder mehrerer billiger Generika. Auch sogenannte "Me-too-Präparate" werden in solche Festbetragsgruppen einsortiert. Damit soll die Verwendung von Generika, die in der Regel günstiger als das Originalprodukt sind, gefördert werden.

verschiedene Tabletten, Pillen und Kapseln
Was sind Generika und Me-too-Präparate?
Ein Me-Too-Präparat ist ein Arzneimittel mit geringer Innovation, das also im Vergleich zu einem früher eingeführten Medikament keine oder nur marginale therapeutische Unterschiede aufweist, das jedoch patentgeschützt ist.

Von den Me-Too-Präparaten abgegrenzt werden die Generika, sogenannte Nachahmer-Präparate, die komplett identische Wirkstoffe wie das Originalpräparat enthalten. Generika kommen dann auf den Markt, wenn das Patent des Originalherstellers abgelaufen ist.

Zu wenig Anreize für Forschung und Entwicklung?

Tatsächlich ist einer der Kritikpunkte am deutschen Gesundheitssystem denn auch, dass es mit seiner gezielten Förderung von Generika zu wenig direkte Anreize für Forschung und Entwicklung neuer Medikamente bietet - zumindest im Vergleich zu Ländern wie den USA.

In diese Richtung argumentiert nicht nur Donald Trump, sondern auch Han Steutel, Präsident des deutschen Verbands forschender Arzneimittelhersteller: "Ohne die Erlöse in den Vereinigten Staaten wären Forschung und Entwicklung, wären neue Therapien auch für europäische Patientinnen und Patienten vielfach nicht denkbar."

Hohe Erstattungen für innovative Therapien

Aber die Realität sieht ein wenig differenzierter aus. So gibt es für Pharmaunternehmen bei Medikamenten mit nur wenig oder gar keinem zusätzlichen Nutzen im Vergleich zu herkömmlichen Präparaten hierzulande in der Tat nur wenig finanzielle Anreize. Anders sieht es bei Mitteln aus, für die ein echter medizinischer Fortschritt nachgewiesen ist. Das zeigt sich besonders bei hochinnovativen Therapien wie Krebsimmuntherapien oder auch den mRNA-Impfstoffen.

So hat der G-BA für die Krebsmittel Nivolumab und Pembrolizumab einen "beträchtlichen Zusatznutzen" anerkannt. Die Krankenkassen erstatten daher die hohen Jahrestherapiekosten von etwa 80.000 bis 150.000 Euro pro Patient.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. Mai 2025 um 22:12 Uhr.