
Schleswig-Holstein So sollen Schleswig-Holsteins Kliniken krisenfest werden
Cyberangriffe, Extremwetter und mögliche militärische Auseinandersetzungen: Die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein sollen resilient für Krisen-Szenarien werden. Dabei spielen auch Einzelzimmer eine Rolle.
Heutzutage stehen Krankenhäuser als Teil der kritischen Infrastruktur vor ganz neuen Herausforderungen. Deswegen hat der Landtag im vergangenen Monat das Ziel formuliert, "Krankenhäuser zukunftsfähig, nachhaltig und widerstandsfähiger gegen negative Einflüsse von außen zu machen." Bereits bei der Planung der Krankenhausinfrastruktur sollen demnach flexible Nutzungsoptionen berücksichtigt werden. Im Mittelpunkt stehe dabei ein moderner, anpassungsfähiger Krankenhausbau. Um diese Ziele geht es konkret:
Nachhaltigkeit: Landtag will wandlungsfähige Kliniken
Die künftigen Kliniken sollen auch morgen noch "auf der Höhe der Zeit" sein, heißt es im Landtagsbeschluss. Das soll vor allem durch "Wandlungsfähigkeit" erreicht werden, wie es Professor Stephan Wehrig von der Technischen Universität Lübeck zusammenfasst. Er leitet das Projekt "Beyond Expediency", in dem die künftige Krankenhausinfrastruktur erforscht wird. "Wandlung ist das große Potential im Gesundheitsbau", sagt Wehrig.
Das heißt: Gebäude, die nicht abgerissen, sondern umgewidmet werden, sind nachhaltiger. Etwa, wenn Flächen gleich so geplant werden, dass sie zunächst für die pflegerische Versorgung genutzt werden - und später für ambulante Versorgung, ohne, dass das Gebäude erweitert werden muss.
Die Ergebnisse des Projekts sollen in einen Qualitätskompass für die Gestaltung der Krankenhausinfrastruktur fließen.

Es geht um Wandlungsfähigkeit: Professor Wehrig von der TH Lübeck mit seinem Team.
Stressabbau: Mehr Wohlbefinden für Patienten und Personal
Wer als Patient ins Krankenhaus kommt, hat in der Regel ein hohes Stresslevel. Deswegen lohnt es sich laut Professor Wehrig, zum Beispiel Wartebereiche so zu konzipieren, dass sie helfen, Stress abzubauen. Etwa, indem man Stühle für Patienten nicht auf Fluren mit viel Trubel aneinanderreiht, sondern "ausdifferenzierte Sitzmöglichkeiten" anbietet, wie Wehrig es nennt: Das heißt zum Beispiel, sowohl die Möglichkeit anzubieten, alleine zu sitzen, als auch, sich zu einer Gruppe dazu zu setzen. Das gebe dem Patienten das Gefühl von Kontrolle.
Fürs Personal sind aus seiner Sicht kurze Wege wichtig. Aber auch Rückzugsräume, die Möglichkeit zur Erholung bieten.
Mehr Kapazität durch flexible Einbettzimmer
Mehr Privatsphäre für Patienten - und mehr Effizienz für die Kliniken. "Zweifellos" könnten Einbettzimmer helfen, sagt Patrick Reimund von der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein. Zum einen werde vermieden, "dass bei Infektionspatienten ein Mehrbettzimmer nur mit einer Person belegt werden kann und damit die Kapazität faktisch sinkt."
Und andererseits ist auch hier wieder die Wandlungsfähigkeit ein Thema: Die Einzelzimmer sollen nämlich so konzipiert werden, dass auch Platz für ein weiteres Bett ist. Etwa für Angehörige. Oder: Im Notfall könnte ein Einzelzimmer auch mit zwei Patienten belegt werden, sagt Reimund: "Es wird also Reservekapazität geschaffen."

Patrick Reimund von der Krankenhausgesellschaft, hier mit Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken.
Einzelzimmer als Standard: Finanzierung unklar
Denkbar ist das aus Reimunds Sicht erst im Zuge von Neubauten oder grundlegenden Sanierungen. Ob das Einzelzimmer am Ende wirklich zum Standard wird, wie es im Landtagsbeschluss heißt, ist noch offen.
Das Gesundheitsministerium äußert sich dazu noch vorsichtig: Man prüfe, inwieweit man diesem wichtigen Ziel möglichst nahe kommen könne, so ein Sprecher. Unklar sei die Finanzierung und ob es auch in jeder Fachabteilung sinnvoll sei, Einzelzimmer vorzuhalten.
Professor Stephan Timm, ärztlicher Direktor am Malteser Krankenhaus St. Franziskus Hospitals Flensburg, gibt zu bedenken, dass Einzelzimmer wieder für längere Wege fürs Personal sorgen könnten. Er rechnet eher damit, dass Zweibettzimmer die Regel werden. Zimmer mit drei oder vier Betten, sagt Timm, werde es aber nicht mehr geben. Und das sei schon ein wesentlicher Vorteil.
Sicherheit gegen Bedrohungen auch für Krankenhäuser wichtig
Die Kapazitäten aufzustocken - das kann laut Reimund auch nötig werden, wenn es eine Notlage gibt, in der besonders viele Menschen versorgt werden müssen. Im Fall einer militärischen Auseinandersetzung etwa - gar nicht unbedingt in Deutschland, sondern in benachbarten Ländern. In Schleswig-Holstein werden schließlich auch Verletzte aus der Ukraine behandelt. Laut Reimund in überschaubarem Umfang. Das könnte sich aber ändern, wenn sich die Frontlinie einmal verschiebt und etwa das Baltikum angegriffen würde. Das stehe zwar nicht akut bevor, sagt Reimund, sei aber auch nicht vollständig undenkbar.
Krankenhäuser im Krieg: Lehren aus der Ukraine für Schleswig-Holsteins Kliniken
Der CDU-Gesundheitspolitiker Hauke Hansen war in der Ukraine und hat sich dort mehrere Krankenhäuser angesehen. Die Bettenanzahl hat sich dort im Krieg verdreifacht, berichtet er. Und auch sonst brauche es einiges, um ein Krankenhaus im Krieg am Laufen zu halten. Nicht nur Räume, sondern auch Strom und die Arzneimittelversorgung müssten gesichert sein, sowie die IT-Infrastruktur.
"Und das sind alles Punkte, die wir als Hintergrundwissen für zukünftige Krankenhaus-Baumaßnahmen in Schleswig-Holstein mitnehmen können", sagt Hansen. Und dabei im Hinterkopf zu behalten, ob ein Standort im Krisenfall erweiterbar ist. Und wo IT-Leitungen oder Stromkabel verlegt werden sollten: "Dann sollten die Pläne schon in der Schublade liegen, dass man nicht kalt erwischt wird, sondern einen Plan hat."

Hat sich in der Ukraine über den Krankenhausbau informiert: Hauke Hansen (CDU).
Cyberresilienz: Schutz vor digitalen Bedrohungen
Zu den möglichen Bedrohungen gehören aber auch Cyberattacken - ob nun von Kriminellen oder aus anderen Ländern. Der Schutz der IT-Infrastruktur soll deshalb bei der Planung berücksichtigt werden.
Klimafeste Kliniken: Anpassung an Extremwetterereignisse
Krankenhäuser müssen Extremwetter widerstehen können. Hauke Hansen nennt als Beispiel Sturmfluten. Viel stärker würden uns aber Hitzewellen treffen, sagt er. In den Kliniken müssten Patienten und Personal vor hohen Temperaturen geschützt werden. Das alles sollte - Stichwort Nachhaltigkeit - ohne klimatisierte Räume gelingen, sagt der Lübecker Projektleiter Professor Stephan Wehrig. Erfahrungen damit gibt es in der Architektur. Die müssten in den Planungen berücksichtigt werden.
Finanzielle Herausforderung: Investitionsbedarf ohnehin schon hoch
Laut Landtagsbeschluss soll die Landesregierung die Förderrichtlinie für den Krankenhausbau bis 2027 überarbeiten. Damit die geplanten Maßnahmen auch finanziert werden können. Auch beim Bund soll sich das Land für andere Rahmenbedingungen einsetzen.
Der Investitonsbedarf an den Kliniken ist ohnehin schon hoch. Und er wird durch die höheren Anforderungen noch steigen, glaubt Patrick Reimund von der Krankenhausgesellschaft. "Das wird in der Tat alles teurer", sagt Patrick Reimund. Bund oder Länder müssten diese steigenden Kosten übernehmen. Geklärt werden muss aus Reimunds Sicht auch, "welche Anforderungen tatsächlich auf die Krankenhäuser zukommen." Und über die müssten Bund und Länder sich abstimmen.
Vom Gesundheitsministerium heißt es: "Wie hoch die entstehenden Kosten sein werden, hängt vom Umfang der Veränderungen ab und muss projektbezogen bestimmt werden. Klar ist, dass weiterhin erhebliche Summen für die Weiterentwicklung der Krankenhausinfrastruktur benötigt werden."
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 30.04.2025 | 06:00 Uhr