
Schleswig-Holstein Herausforderung Mensa: So essen unsere Schülerinnen und Schüler
Gesund und lecker sollte Schulessen sein, fordern Eltern in SH. Was auf den Tellern landet, ist aber sehr unterschiedlich. Auch die Preise variieren. Gute Erfahrungen werden mit Buffets gemacht.
Einheitliche Vorgaben für das Schulessen gibt es in Schleswig-Holstein nicht, die Versorgung mit Mittagessen ist Sache der Schulträger. In Schleswig-Holstein sind dies meist die Kommunen. Eine Richtlinie, an der sich einige von ihnen orientieren, sind die Qualitätsstandards für Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
DEG-Qualitätsstandard für Verpflegung an Schulen
Bei der Umsetzung unterstützt die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Schleswig-Holstein. Mitarbeiterinnen der DGE beraten Schulträger, Eltern, Lehrkräfte, Cateringunternehmen und Ganztagskoordinatoren rund um das Thema Mittagsversorgung an Schulen. "Wir sind auch bei Ausschreibungen involviert, wenn es darum geht zu sagen, wir wollen nicht nur, dass der Preis entscheidet, sondern auch die Qualität eine Rolle spielt. Dann helfen wir, den DGE-Qualitätsstandard mitzuberücksichtigen", sagt Birgit Braun von der DGE.
Qualität des Schulessens sehr unterschiedlich
Doch verpflichtend sind die existierenden Leitlinien nicht. Die Qualität, Vielfältigkeit und Verfügbarkeit sei abhängig von den jeweiligen Caterern. Elternvertretungen kritisieren daher die großen Unterschiede bei der Mittagsversorgung und fordern die Umsetzung einheitlicher Standards, um den großen Herausforderungen zu begegnen, die sich für Schulträger, aber auch Eltern und Schülerinnen und Schüler ergeben.
Essen in Schulen: Hauptsächlich vegetarisch oder vegan
Laut DGE-Qualitätsstandard soll das Essen in den Schulen pflanzenbetont sein. "Wir gehen davon aus, dass tierische Lebensmittel nur zu einem geringen Prozentsatz im Essen enthalten sind", so Braun. Fisch und Fleisch sollten demnach pro Woche nur einmal auf dem Speiseplan stehen, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte hingegen so oft wie möglich. Die Herausforderung besteht darin, ein Angebot zu schaffen, das allen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bietet, ausgewogen zu essen und satt zu werden.

Birgit Braun von der DGE in Kiel berät mit der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Schulträger, Caterer und Eltern rund um das Thema Schulessen.
Qualitativ gleichwertige Angebote mit und ohne Fleisch
"Auch Kinder mit Lebensmittelunverträglichkeiten müssen die Chance haben, einen gleichwertigen Ersatz zu bekommen", so Claudia Pick, Landeselternvertreterin der Gymnasien. Zudem sollte es qualitativ gleichwertige Angebote für alle geben, unabhängig davon, ob sie beispielsweise Fleisch essen oder nicht oder aus religiösen Gründen auf bestimmte Lebensmittel verzichten. "Das Ziel ist es, eine Verbindungsbrücke zwischen dem Vormittagsunterricht und dem Nachmittagsunterricht zu erhalten, welche von allen, unabhängig ihrer Ressourcen und Wertvorstellungen, genutzt werden kann", heißt es auch von der Landeschülervertretung der Gymnasien.
Nicht überall gibt es Mittagessen in der Mensa
Elternvertreter kritisieren, dass es kein flächendeckendes Essensangebot an allen Schulen gibt. Doch auch dort, wo es prinzipiell angeboten wird, ist es mancherorts nicht praktikabel. "Ich glaube, die Schulverpflegung ist echt besser als ihr Ruf", sagt Birgit Braun von der DGE. "Wenn ich mit den Leuten rede, die für die Schulverpflegung in den Einrichtungen verantwortlich sind, dann sind das immer Leute, die unwahrscheinlich engagiert sind. Es hapert eben manchmal am System. Oft heißt es: Wir haben mehr Kinder, die essen wollen, aber die Mensa ist zu klein."
Eine Soll-Bruch-Stelle: Die Essensausgabe
An der Max-Planck-Schule in Kiel gehen zum Beispiel von mehr als 1.000 Schülerinnen und Schülern nicht einmal 150 regelmäßig in der Mensa der Schule essen, heißt es von Elternvertreter Axel Briege. Grund sei die Organisation der Essensausgabe. Es gebe zu wenig Personal, sodass die Schülerinnen und Schüler kaum die Möglichkeit hätten, in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit zwischen den Unterrichtsstunden ihr Essen zu erhalten.
Das soll sich nun ändern. Schülervertreter, Eltern, Lehrkräfte und das Schulamt engagieren sich laut Briege gemeinsam für einen Mensabeirat, der gegründet wird und Lösungen erarbeiten soll. Einen solchen Mensabeirat sollte es an allen Schulen geben, fordert Landeselternvertreterin Claudia Pick. Es sei wichtig, Schüler, Eltern und Lehrkräfte konsequent miteinzubeziehen.
Mal kochen Caterer, mal die Eltern
Laut Vernetzungsstelle Schulverpflegung wird eine Großzahl der Schulen von externen Cateringunternehmen beliefert. Teilweise haben die Schulen jedoch auch eigenes Personal, das vor Ort kocht oder die Cateringunternehmen stellen Personal, das die Küche in der Schule nutzt. Einige Schulen in Schleswig-Holstein sind jedoch auch darauf angewiesen, dass Eltern kochen oder bei der Essensausgabe helfen.
Oft ein Träger für Mittagsessen zuständig
An vielen Grundschulen ist es üblich, dass ein Träger für das gesamte Mittagsangebot zuständig ist. Das umfasst neben dem Mittagessen auch alle weiteren Angebote wie Nachmittagskurse. Für alle Seiten sei das sehr angenehm, so Heiner Koch, Fachbereichsleiter Bildung in Pinneberg. Eltern haben dann nur eine Ansprechperson. Die Anbieter haben wiederum eine gute Planbarkeit, da die Kinder, die Ganztagsangebote nutzen, in der Regel auch zum Mittagessen gehen. Das sind zum Beispiel freie Träger der Jugendhilfe oder auch Sportvereine.
An weiterführenden Schulen kommen in Pinneberg und vielen anderen Kommunen externe Caterer zum Einsatz. Laut Vernetzungsstelle Schulverpflegung und verschiedenen Kommunen ist es vielerorts herausfordernd, Cateringunternehmen zu finden, die eine Belieferung im jeweils gewünschten Umfang bieten können und gleichzeitig die DGE-Qualitätsstandards berücksichtigen.

An einigen Schulen kann man sich das Essen am Buffet selbst zusammenstellen.
Unterschiede auch bei Kosten und Preisen der Schulverpflegung
"Die größte Herausforderung sind die Kosten", so Birgit Braun von der DGE. "Das Geld ist immer knapp. Man möchte natürlich ein gutes Essen bewerkstelligen, aber nicht viel dazugeben". Auch die Kosten sind abhängig von Schule und Kommune unterschiedlich. Häufig liegen die Preise, die Eltern für ein Essen zahlen müssen, zwischen drei und fünf Euro. Während Eltern teilweise für den gesamten Preis aufkommen müssen, wird dieser in einigen Kommunen subventioniert. Für Eltern stelle das teilweise eine große Belastung dar. Darin sind sich die Vernetzungsstelle Schulverpflegung und Elternvertretungen einig.
Problem: Nicht alle können sich Mittagessen leisten
Einkommensschwache Familien haben durch das Bildungs- und Teilhabepaket unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf ein kostenloses Mittagessen an den Schulen. Das gilt beispielsweise für Bürgergeldempfänger. Doch es gebe auch viele Familien, die zwar keinen Anspruch auf diese Unterstützung haben, sich das Mittagessen jedoch trotzdem kaum leisten könnten. Auch auf diese Familien müsste man stärker schauen, so Birgit Braun. "Generell sollten die Preise so gedeckelt sein, dass es nicht am Geld liegt, ob ein Kind in die Mensa geht oder nicht", fordert Elternvertreterin Pick.
Schulen und Schulträger seien vor die Entscheidung zwischen einem guten Mittagsangebot und anderen Anschaffungen und Angeboten gestellt, heißt es von der Schülervertretung an den Gymnasien. "Wir sind davon überzeugt, dass das Angebot kostenlos sein muss, da es nie eine Frage der Ressourcen sein kann, ob ein Schüler oder eine Schülerin sich etwas zu essen leisten kann oder eben nicht."
Imbissbude und Supermärkte als Konkurrenz
Während das Angebot im Ganztag der Grundschulen in der Regel einer konstanten Nachfrage entspricht, ist die Nachfrage an weiterführenden Schulen häufig unbeständiger. Schulträgern und Caterern erschwert das die Planung. Ältere Schülerinnen und Schüler, die das Schulgelände verlassen dürfen, würden häufig zu Imbissbuden oder Supermärkten gehen. Ab einem gewissen Alter sei es eventuell nicht so "cool" in der Mensa zu essen, so Heiner Koch, Fachbereichsleiter Bildung in Pinneberg. Es sei wichtig, mit der Zeit zu gehen und flexibel auf die tatsächlichen Anforderungen vor Ort zu reagieren, sagt Koch.
An der Johann-Comenius-Schule in Pinneberg gibt es deshalb zusätzlich zum Mensa-Angebot eine Essensausgabe, bei der sich Schülerinnen und Schüler beispielsweise eine Nudelbox oder Pizza für rund vier Euro holen können. Dies wird von älteren Schülerinnen und Schülern dort eher angenommen. Eine gewisse Spontanität wünscht sich auch Elternvertreterin Pick für alle Schulmensen. Es sollte möglich sein, spontan Essen abzubestellen oder dazuzubuchen. Gerade für ältere Schülerinnen und Schüler und bei Unterrichtsausfall sei das sinnvoll.
Außerdem dürfe niemand ausgeschlossen werden. "In der Mensa selbst sollte es möglich sein, auch mit seinen Schulkameraden zusammenzusitzen, wenn man mitgebrachtes Essen verzehrt", so Pick. In einigen Mensen sei das nicht erlaubt, da der Platz ohnehin knapp sei und nur Schülerinnen und Schüler dort essen dürfen, die für das Schulessen angemeldet sind.
Selbstbestimmt essen im Free-flow-System
Auf Individualität und Selbstbestimmung der Kinder setzt auch das sogenannte Free-flow-System, bei dem sich Schülerinnen und Schüler ihr Essen selbst zusammenstellen dürfen. Häufig werden einzelne Komponenten, wie Fleisch, zugeteilt. Beilagen dürfen sich die Kinder selbst nehmen und damit auch die Menge bestimmen. Free-flow kommt laut Birgit Braun immer häufiger an Schulen in Schleswig-Holstein zum Einsatz. "Das ist im Grunde, wo der Trend hingeht", so Braun. In Städten werde dies bisher häufiger umgesetzt als im ländlichen Bereich.

Mit dem Neubau der Grundschule Oststeinbek ist auch eine moderne Mensa entstanden, die 2025 den Betrieb aufgenommen hat.
Eine Schule, die damit seit Anfang dieses Jahres gute Erfahrungen gesammelt hat, ist die Grundschule in Oststeinbek (Kreis Stormarn). Die hat im Zuge eines Schulneubaus eine neue Mensa erhalten. Die Grundschülerinnen und Grundschüler können in einem Zeitfenster von einer Stunde selbst entscheiden, wann sie zum Essen kommen und sich ihren Teller am Buffet selbst bestücken. Das führt in Oststeinbek nach Angaben der Schule und der Kinder dazu, dass weniger weggeschmissen wird und die Kinder gerne zum Essen kommen, weil sie wissen, dass sie sich selbst etwas aussuchen können.
Gekocht wird vor Ort in der neuen Küche der Mensa. "Wir bekommen von der Schule täglich die Zahlen von den Kindern geliefert , die sich abgemeldet haben. Wir können genau produzieren, was wir benötigen, und haben dadurch weniger Abfall", sagt Küchenchefin Kordula Lehmann. Rund 100 Schülerinnen und Schüler kommen regelmäßig zum Mittagessen an der Grundschule Oststeinbek. Im Zuge des Ganztagsausbaus sollen es stetig mehr werden. "Die Erfahrung zeigt, dass die Kinder zufrieden sind und ihre Freiheit, die sie haben, nutzen. Die Herausforderung wird mit Sicherheit sein, je mehr Kinder hier sind, dass sie Abläufe nach wie vor angepasst werden", sagt Ganztagsleiter Julian Bubert.

Schülerinnen und Schüler an der Grundschule Oststeinbek können das Mittagessen jeden Tag bewerten und darüber mitentscheiden, was öfter auf dem Speiseplan stehen soll.
Kinder brauchen Zeit zum Essen
Das Essen im Free-flow-System in Oststeinbek, das an den DGE-Qualitätsstandards ausgerichtet ist, kostet die Eltern rund vier Euro pro Essen. Die Kosten werden dadurch nicht gedeckt, sondern teilweise von der Gemeinde übernommen. Birgit Braun von der DGE sieht im Free-flow-System eine gute Möglichkeit, vielfältiges Essen anzubieten. Zudem würden Kinder voneinander lernen und mehr ausprobieren, wenn sie sehen, was andere essen. Doch nicht für alle Schulen sei dies im Moment umsetzbar, denn das selbstbestimmte Essen erfordere mehr Zeit. Die müsse Schülerinnen und Schülern unabhängig vom Essenskonzept unbedingt überall eingeräumt werden, so Braun.
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NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 30.04.2025 | 06:00 Uhr