Ein Schulgebäude in Plattenbauweise.

Sachsen Fledermäuse in der Grundschule: So wirkt sich die Finanznot in den Kommunen aus

Stand: 30.04.2025 05:00 Uhr

Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld? Diese Frage stellen sich immer mehr Städte und Gemeinden in Sachsen. Im vergangenen Jahr stiegen die kommunalen Schulden im Freistaat in den ersten Monaten um 9,5 Prozent. Laut dem Statistischen Bundesamt war die Steigerung in keinem anderen Bundesland so hoch. Doch was hat das vor Ort für Folgen und welche Lösungen gibt es? MDR SACHSEN hat sich im Land umgehört. Die Kommunalfinanzen sind auch Thema bei "Fakt ist!" im MDR FERNSEHEN.

Von Stephan Hönigschmid, MDR SACHSEN

Finanzkrise in Sachsens Kommunen. Landauf, landab klagen Städte und Gemeinden über fehlendes Geld in der Kasse. Ein Beispiel dafür ist der beliebte Luftkurort Jonsdorf im Zittauer Gebirge "Wir sind ein schicker Touristenort, aber wir haben eine Haushaltssperre", beschreibt die Jonsdorfer Bürgermeisterin Kati Wenzel (Freie Wähler) die Gegensätze. So gebe es einerseits überregional beliebte Einrichtungen wie die Eishalle und das Schmetterlingshaus, aber gleichzeitig habe die Gemeinde nur wenig Einwohner und kaum Einnahmen durch Gewerbesteuern. "Uns fehlt einfach das Geld, die Freizeiteinrichtungen zu sanieren", sagt Wenzel.

Grundschulkinder müssen Fledermäusen weichen

Priorität hätten daher zunächst grundlegende Pflichtaufgaben, wie die Sanierung der Grundschule und der Turnhalle. "In den zwei oberen Etagen der Grundschule sind die Fenster so undicht, dass Fledermäuse eingezogen sind. Auch Wasser ist bereits hineingelaufen." Man habe daher in diesen Etagen die Heizung abgeklemmt. "Die Schüler mussten ausziehen und halten sich nur noch in der unteren Etage auf", erklärt die Bürgermeisterin.

In den zwei oberen Etagen der Grundschule sind die Fenster so undicht, dass Fledermäuse eingezogen sind. Auch Wasser ist bereits hineingelaufen. Kati Wenzel (Freie Wähler) | Bürgermeisterin von Jonsdorf

Eigenanteil für neue Schule schwer zu stemmen

Die Gemeinde will nun eine neue Schule zu bauen. "Wir bekommen dafür 60 Prozent Förderung. Einen Eigenanteil von etwa vier Millionen Euro müssen wir selbst bezahlen. Das wird eine riesengroße Herausforderung", sagt Wenzel, die nach eigenen Angaben bereits zwei Sparpakete auf den Weg gebracht hat. Darin geht es unter anderem um den Verkauf von Gebäuden und Grundstücken sowie die Erhöhung der Pacht für Garagenbesitzer.

Anita Maaß, Bürgermeisterin Lommatzsch

Anita Maaß übernahm 2005 eine überschuldete Gemeinde und sanierte diese Stück für Stück.

Lommatzsch befreit sich selbst aus Krise

Die Lommatzscher Bürgermeisterin Anita Maaß hat einen solchen Weg schon hinter sich. "Als ich 2005 ins Amt kam, war Lommatzsch überschuldet", erinnert sich die FDP-Politikerin. Das Haushaltsvolumen der Gemeinde sei mit 8,5 Millionen Euro genauso hoch gewesen wie der Schuldenberg. "Ich konnte damals keine Kredite mehr aufnehmen. Daher musste ich ganz klassisch die Einnahmen erhöhen und die Ausgaben senken."

Menschen sauer über Abwasserbeiträge

Um dieses Ziel zu erreichen, waren auch unpopuläre Entscheidungen nötig. "Als ich kam, hatte Lommatzsch zwar in die Abwasserinfrastruktur investiert, aber keine Abwasserbeiträge erhoben. Ich habe das dann gemacht mit dem Ergebnis, dass die Hälfte der Bevölkerung mir richtig böse war." Ähnlich sei es mit dem Freibad gewesen. "Wir mussten das Freibad 2011 schließen, weil es sehr marode war." Auch diese schmerzhafte Maßnahme hätte sich positiv auf den Haushalt ausgewirkt.

Terence Hill Freibad Lommatzsch

Seit 2011 ist das Terence-Hill-Freibad in Lommatzsch geschlossen. Stattdessen gibt es einen Badbus.

Badbus statt Freibad

"Als Ausgleich haben wir einen Badbus eingerichtet." Das sei billiger, als ein eigenes Freibad zu betreiben. Zudem müsse man sich fragen, warum man ein eigenes Bad brauche, wenn das nächste nur 15 Minuten entfernt sei, gibt Maaß zu bedenken.

Auf diese Weise hat Lommatzsch Stück für Stück einen Großteil seiner Schulden abgetragen. Ähnliche Anstrengungen wünscht sich Anita Maaß auch vom Freistaat. "Sachsen sollte den Kommunen für ihre vielen Aufgaben mehr Geld geben. Und da bin ich dafür, dass der Freistaat bei sich selbst kürzt. Aktuell leistet er sich deutlich zu viel Personal", kritisiert die frühere sächsische FDP-Chefin.

Die Ortstafel von Käbschütz, einem Ortsteil der sächsischen Gemeinde Käbschütztal.

Weil Kabschütztal ein strukturelles Finanzproblem hat, hofft es auf Hilfe vom Land.

Käbschütztal: Viel Fläche, wenig Menschen

Allein sparen reicht in der benachbarten Gemeinde Kabschütztal nicht aus. Seit Jahren gibt es dort ein strukturelles Defizit, das die Gemeinde aus eigener Kraft nicht abtragen kann. "Ich habe jetzt rund 1,5 Millionen Euro Minus auf dem Konto und nach Schätzungen bin ich nächstes Jahr bei drei bis vier Millionen Euro", berichtet Bürgermeister Frank Müller (parteilos). Sein Problem ist, dass Kabschütztal mit seinen 37 Ortsteilen eine flächenmäßig große Gemeinde ist, aber nur rund 2.800 Einwohner hat.

Ich würde mir wünschen, dass sich die Finanzzuweisung des Landes nicht mehr nach der Zahl der Einwohner richtet, sondern nach den konkreten Aufgaben. Frank Müller (parteilos) | Bürgermeister von Käbschütztal

Ruf nach neuen Kriterien bei Geldvergabe

"Wir sind in der Lommatzscher Pflege und haben gute Böden. Die Landwirtschaft hat Vorrang. Daher ist es schwierig, hier Gewerbe anzusiedeln", sagt Müller. Trotzdem sei er für 53 Kilometer Straße und 24 Brücken zuständig. "Ich würde mir daher wünschen, dass sich die Finanzzuweisung des Landes nicht mehr nach der Zahl der Einwohner richtet, sondern nach den konkreten Aufgaben."

Zudem gebe es Gemeinden wie das angrenzende Klipphausen, welches direkt an der Autobahn liegt und mit seinen Gewerbegebieten gute Einnahmen erziele. "Das Geld, das die zu viel haben, dürfte nicht ins große Säckel des Freistaates gehen, sondern unter anderem uns zugute kommen", findet Müller.

Experte: Kommunen sollten besser kooperieren

Der Leipziger Finanzwissenschaftler Mario Hesse plädiert in solchen Fällen für mehr Kooperation. "Ich glaube, die Kommunen haben verlernt zusammenzuarbeiten und zum Beispiel gemeinsam Flächen zu entwickeln", sagt Hesse. Allerdings nimmt er auch das Land in die Pflicht.

Kommunen haben verlernt zusammenzuarbeiten und zum Beispiel gemeinsam Flächen zu entwickeln. Mario Hesse | Finanzwissenschaftler Uni Leipzig

"Gemeinden, die im Speckgürtel der großen Zentren liegen und entsprechend davon profitieren, die werden in Sachsen genauso behandelt wie Gemeinden im ländlichen Raum. Da könnte man etwas ändern. Bundesländer wie Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern sind da schon einen Schritt weiter. Die haben erkannt, dass sie in diesen Gegenden noch mal andere Impulse setzen müssen", erläutert Hesse.

Rezession sorgt für Probleme in ganz Deutschland

Die in Sachsen derzeit gehäuft auftretenden Probleme betreffen seiner Einschätzung nach Kommunen in ganz Deutschland. Grund seien die rückläufigen Gewerbesteuereinnahmen aufgrund der Rezession. Hinzu kämen zahlreiche Aufgaben für die Kommunen im Bereich der Pflege, der Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung oder auch der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen.

"Und wenn der Bund beispielsweise die Pflege nicht ausreichend finanziert, dann müssen die Kommunen herhalten. In dieser Hinsicht gibt es einen Konstruktionsfehler bei der Finanzierung", sagt Hesse.

MDR (sth/fhe)