
Berlin Porträt von Joe Chialo: Kein Publikumsliebling
Joe Chialo kam als Quereinsteiger aus der Kultur in die Politik, wurde vom Musikmanager zum Kultursenator in Berlin. Aber der Applaus blieb aus: Stattdessen zog Chialo immer wieder Kritik auf sich. Auch ein Prestigeprojekt scheiterte.
Er sei nicht in die Politik gegangen, weil er einen Beliebtheitswettbewerb gewinnen wolle - das hat Joe Chialo einmal über sich selbst gesagt. Allerdings wäre in seiner etwas mehr als zweijährigen Amtszeit wohl auch niemand darauf gekommen, dass Chialo deshalb in die Politik gewechselt wäre - dafür hat er sich dann doch zu oft unbeliebt gemacht. Zum einen bei denen, für die er zuständig war: den Kulturschaffenden in Berlin. Zum anderen aber auch bei Politikern aus seiner eigenen Koalition. Und sogar seiner eigenen Partei.
Viel Kritik entzündete sich daran, dass Chialo angesichts knapper Kassen massiv sparen musste. Sein Ressort für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt trafen die Einschnitte anteilig sogar härter als andere. Zwar versicherte Chialo, er suche nach den schonendsten Einsparmöglichkeiten. Die Ergebnisse die Suche waren allerdings ernüchternd: Unter dem Strich fallen allein 2025 für die Berliner Kultur etwa 130 Millionen Euro weg.

Chialo strich Fördermittel aus zweifelhaften Gründen
Die Folgen: Unter anderem höhere Ticketpreise und weniger Theaterpremieren. Viele Künstler:innen gingen wegen der massiven Sparvorgaben immer wieder auf die Straße. Aber nicht nur die kritisierten ihren Senator, sondern auch Monika Grütters, die ehemalige Kulturstaatsministerin des Bundes, die wie Chialo Mitglied der CDU ist. Und auch vom Koalitionspartner SPD kam vor allem Kritik: an zu wenig Kommunikation von Chialo. Denn in der Kultur muss weiter gespart werden.
Aber die Sparmaßnahmen waren nur ein Grund, warum viele in der Berliner Kultur-Szene mit ihm haderten. Der andere: sein Agieren nach dem 7. Oktober 2023, nach dem Massaker der Hamas und nach dem Beginn des Kriegs im Gaza-Streifen. So strich Chialo zum Beispiel einem Kulturzentrum in Neukölln die Fördermittel, seine Verwaltung begründete das mit Antisemitismus-Vorwürfen. Später stellte sich heraus: Die Vorwürfe waren so nicht haltbar. Gestrichen wurden die Gelder trotzdem - aus Formgründen.

Erst Sänger und Musikmanager, dann Politiker
Es folgten auch hier massive Proteste, Chialo wurde öffentlich angegangen, sein Wohnhaus mit Farbe beschmiert. Ein Riss, der nie wieder heilte. Dabei wurde Chialo doch einst Christdemokrat wegen Angela Merkels Umgang mit Geflüchteten 2016, wie er selbst betont. "Ich bewunderte ihre Haltung, zu sagen: Wir helfen Menschen in Not", so Chialo. "Das war für mich das C und deswegen bin ich in die CDU eingetreten."
Sich politisch für die Kultur zu engagieren, habe er dann wegen der Pandemie beschlossen. Es sei ihm damals um die die Situation der Künstlerinnen und Künstler gegangen: "Ich weiß, wie sie fühlen." Chialo war selbst Sänger in einer Band und Musikmanager, bevor er 2023 als Quereinsteiger in die Berliner Landespolitik wechselte.
Politik funktioniert anders als ein Kulturunternehmen
Joe Chialo wollte Akzente setzen, immer wieder auch auf unkonventionelle Art. Erst kurz im Amt, überraschte Chialo im Sommer 2023 seine Mitkoalitionäre etwa mit der Idee eines Umzugs der Zentral- und Landesbibliothek in das sogenannte Quartier 207. Das Lafayette-Kaufhausgebäude in der Friedrichstraße sah er als Jahrhundertchance für die Bibliothek.
Chialo stieß damit in der Stadt zwar auf offene Ohren, eckte aber in seiner eigenen Partei an, weil er unabgesprochen an die Öffentlichkeit ging. Die Signale an ihn lauteten, dass der politische Betrieb anders funktioniert als ein Kulturunternehmen in der freien Wirtschaft. Auch die nötige dreistellige Millionensumme fehlte ihm für einen Bibliotheksumzug.
Wollte Chialo Kulturstaatsminister des Bundes werden?
Zuletzt fiel Chialo vor allem als Objekt von Spekulationen auf: Ihm wurden Ambitionen auf das Amt des Kulturstaatsminister des Bundes nachgesagt. Er wollte also ein Nachfolger werden von Monika Grütters - der Frau, die ihn für die vielen Kürzungen in Berlin kritisiert hatte, und die Frau, die sich in ihrer Zeit als Kulturstaatsministerin über Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf erarbeitet hatte.
Es sollte nicht dazu kommen: Statt Chialo bekam Wolfram Weimer Ende April den Job. Keine Woche später tritt Joe Chialo als Berliner Kultursenator zurück. Im Theater würde man wohl rückblickend sagen: Ein Publikumsliebling war er nicht.
Mit Informationen von Kirsten Buchmann und Klaas-Wilhelm Brandenburg
Sendung: rbb24 Inforadio, 02.05.2025, 16 Uhr