
Aufnahmeprogramm für Afghanen Banges Warten auf einen Flug in die Sicherheit
Deutschland hat sich verpflichtet, bestimmte gefährdete Afghanen aufzunehmen. Doch die neue Bundesregierung will die Aufnahmeflüge stoppen. Was bedeutet das für Betroffene?
Amir heißt eigentlich anders. Aber er möchte nicht, dass sein echter Name genannt wird. Auf die Frage, wie es ihm geht, sagt er nur, es sei eine Mischung aus Unsicherheit und Angst.
Amir, seine Frau und drei Töchter warten in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad - seit mehr als einem halben Jahr. Er hat eine Zusage, dass er nach Deutschland kommen darf. Dabei wäre er am liebsten in Afghanistan geblieben. Doch er habe keine Wahl, erzählt er am Telefon unter Tränen. Als Journalist sei er bedroht worden.
Beunruhigende Nachrichten aus Deutschland
Amir wurde von der Organisation Reporter ohne Grenzen vorgeschlagen, um nach Deutschland zu kommen - über das Bundesaufnahmeprogramm. Es richtet sich an Journalisten, aber auch Frauenrechtlerinnen, Lehrer. Menschen, die unter den Taliban in Gefahr sind.
Als Journalist verfolgt Amir sehr genau die Nachrichten, auch die Nachrichten aus Deutschland. Er weiß, dass die neue Bundesregierung die freiwilligen Aufnahmeprogramme stoppen will und darüber nachdenkt, sogar erteilte Aufnahmezusagen zu widerrufen.
Und er denkt dabei wohl auch an Aussagen wie die von Markus Söder. Als der CSU-Chef am politischen Aschermittwoch in einen vollen Saal rief, die Flüge müssten gestoppt werden: "Täter raus, aber doch nicht neue rein."
2.500 Afghanen warten in Pakistan
Amir, ein Täter? Das sei doch ein Missverständnis, sagt er am Telefon: "Es ist ungerecht, die Afghanen mit den Taliban gleichzusetzen, wenn man doch weiß, dass die meisten von uns Opfer sind."
Etwa 2.500 Afghaninnen und Afghanen warten in Islamabad. Die meisten sollen über das Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland kommen. Die anderen kommen über sogenannte Menschenrechtslisten und das Ortskräfteverfahren. Die Programme wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgelegt, zunächst noch unter der Regierung von Angela Merkel (CDU), später durch die Ampelregierung. In allen Fällen geht es um Menschen, die durch ihre Tätigkeit in Afghanistan besonders gefährdet sind.
Sicherheitsabfragen sind Standard
Bevor die Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland reisen können, werden ihre Dokumente geprüft. Außerdem gibt es standardmäßige Abfragen bei den deutschen Sicherheitsbehörden, ob Informationen über die Personen vorliegen. Seit Juni 2023 gibt es zusätzliche Sicherheitsinterviews an der Botschaft in Pakistan - durchgeführt von Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Bundespolizei.
Heiko Teggatz, dem Vorsitzenden der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, reicht das nicht aus. Von Beginn an habe er Zweifel gehabt, "dass die Personalien, also die Identitäten derer, die dort nach Deutschland geholt werden sollen, auch wirklich zweifelsfrei feststehen". Und dann sei eine darauf beruhende Sicherheitsüberprüfung "natürlich nicht viel wert".
Am Ende entscheidet das Auswärtige Amt
Die Bundespolizei berät das Auswärtige Amt bereits bei der Überprüfung der Dokumente. Dafür wurden extra Dokumenten- und Visaberater abgeordnet. Doch am Ende entscheidet das Auswärtige Amt. Eine Rückkopplung mit den Dokumentenberatern erfolge nicht, teilt die Bundespolizei mit. So könne es dazu kommen, dass die Bundespolizei kurz vor Abflug intervenieren müsse, wenn betroffene Personen dennoch auf der Flugliste erscheinen.
Die Bundespolizei kommt außerdem ins Spiel, wenn ein Flug aus Pakistan in Deutschland landet. Dann überprüfen sie erneut die mitgeführten Dokumente - und leiten im Zweifel wie zuletzt sogar Ermittlungen ein.
Manchmal stimmen die Daten nicht
Denn manche der afghanischen Pässe werden in Deutschland nicht anerkannt. Geburts- oder Heiratsdaten stimmen nicht. Sebastian Fischer, der Sprecher des Auswärtigen Amtes, erklärt, woran das aus seiner Sicht liegt: "Weil natürlich das Urkunden- und Personenstandswesen in Afghanistan sicher nicht auf dem Stand von Deutschland ist."
Er betont aber, dass die Identität der Einreisenden überprüft werde und dass es kaum ein Verfahren mit höheren Standards gebe.
Rücknahme der Zusagen nur in Ausnahmefällen
Michael Mai ist Rechtsanwalt und setzt sich für bedrohte afghanische Künstlerinnen und Künstler ein. Mit Blick auf die Überlegungen aus der wohl künftigen Koalition, Aufnahmezusagen zu widerrufen, weist der Jurist darauf hin, dass die Zusagen verbindlich seien. Eine neue Bundesregierung könne das nicht so einfach ändern. "Wenn sich eine politische Meinung ändert, welche Personenkreise schutzbedürftig sind, kann das nicht rückwirkend zu einer Aufhebung führen." Möglich sei das nur in Ausnahmefällen, "beispielsweise durch falsche Angaben, dass ein solcher Widerruf erklärt wird, dann ist das eine jeweilige Einzelfallprüfung".
Doch was sollen Menschen wie Amir tun? Sie warten in Islamabad. In Sorge und Angst. Auch, dass sie irgendwann aus Pakistan abgeschoben werden könnten. Natürlich könnten sie die Bundesregierung verklagen, aber das geht wohl nur mit Hilfe aus Deutschland.