
Stopp der US-Hilfen für Afghanistan Wenn die Krise zur Katastrophe wird
Der weitgehende Stopp der US-Hilfen verschärft die Hungerkrise in Afghanistan dramatisch. Mehr als 14 Millionen Menschen sind akut unterversorgt, vor allem Kinder. Laut UN droht eine Katastrophe.
Parwana sitzt auf dem Boden ihrer Zweizimmerwohnung im Osten Kabuls. Vor ihr steht ein Topf mit ein paar gekochten Kartoffeln und trockenem Brot. Mehr gibt es heute nicht für sie und ihre sechs Kinder. "Manchmal fehlt es uns auch an dieser Art von Lebensmitteln, aber wir müssen uns damit abfinden", sagt sie. "In der Vergangenheit konnten wir unsere Kinder mit ausländischer Hilfe ernähren, aber jetzt ist es sehr schwierig für uns geworden."
Noch vor wenigen Monaten halfen internationale Hilfsprogramme, das tägliche Überleben vieler afghanischer Familien zu sichern. Doch seit März 2025 hat sich die Lage dramatisch verändert. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump stoppte fast alle Hilfsprogramme für Afghanistan. 83 Prozent der Programme der US-Entwicklungshilfeagentur USAID wurden gestrichen. Zuvor die Vereinigten Staaten fast die Hälfte der internationalen humanitären Hilfe für das Land bereitgestellt.

Manchmal hätten sie nicht mal Brot oder Kartoffeln, erklärt Parwana, Mutter von sechs Kindern.
Massive Auswirkungen auf Gesundheitssystem
Indrika Ratwatte, stellvertretender Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Afghanistan, beschreibt die Folgen so: "Die Auswirkungen sind enorm. Wir mussten unsere Zielzahlen drastisch nach unten korrigieren, um mit diesen Kürzungen umgehen zu können." Laut Ratwatte hat die UN ihre humanitären Zielzahlen von ursprünglich 23 Millionen Menschen auf etwa zwölf Millionen herunter korrigieren müssen.
Auch die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem seien massiv. "Wir mussten mehr als 460 Gesundheitseinrichtungen schließen. Mehr als 300 Ernährungszentren, die akut mangelernährte Kinder und andere versorgen, wurden ebenfalls geschlossen", berichtet Ratwatte. Nationale und internationale Partnerorganisationen seien gezwungen worden, Büros zu schließen und Mitarbeitende zu entlassen.

Parwanas Mann Matiullah mit einem ihrer sechs Kinder. Die Tochter ist auf medizinische Hilfe angewiesen.
Kinder leiden am stärksten
Die Hungerkrise trifft vor allem die Schwächsten. Parwana erzählt: "Eine meiner Töchter leidet an Unterernährung, sie hat Probleme mit ihren Augen und ihrer Nase, und ist auch sehr schwach." Ihr Sohn habe Probleme mit seinen Füßen.
Indrika Ratwatte bestätigt: "Es geht vor allem um Kinder, besonders betroffen sind Säuglinge." Besonders stark betroffen seien außerdem Bauernfamilien, Grundschulkinder sowie Rückkehrer, die seit 2023 verstärkt aus Pakistan abgeschoben werden oder aus Furcht davor das Land verlassen. "Allein in diesem Jahr sind das rund 120.000 aus Pakistan", sagt Ratwatte.

Sediqullah Sedqi hat selbst für die Mission der Vereinten Nationen für Afghanistan gearbeitet. Durch die Kürzungen der US-Hilfsgelder hat er seinen Job verloren.
Frühere Helfer im Elend
Auch frühere Mitarbeiter von Hilfsorganisationen stehen heute oft ohne Einkommen da. Sediqullah Sedqi, ehemaliger Mitarbeiter der UNAMA, der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan, erklärt: "Wenn ein Unternehmen zehn Mitarbeiter entlässt, bedeutet das, dass ein solcher Schritt etwa 100 Menschen betrifft, weil jeder Mitarbeiter der Ernährer von zehn Familienmitgliedern war." Noch bis vor wenigen Wochen hat er für die UNAMA gearbeitet, jetzt musste er entlassen werden, das Geld reicht einfach nicht aus.
Laut Ratwatte betrifft die Kürzung nicht nur amerikanische Hilfsgelder: "Es ist nicht nur die dramatische Kürzung der US-Hilfen. Auch viele andere G7-Staaten verlagern ihre Mittel zunehmend auf Verteidigungsausgaben." Besonders viele nationale Hilfsorganisationen, darunter zahlreiche von Frauen geführte NGOs, hätten Personal entlassen oder Programme einstellen müssen. "Hunderte Mitarbeitende sind betroffen", sagt Ratwatte.

"Wir mussten unsere Zielzahlen drastisch nach unten korrigieren, um mit diesen Kürzungen umgehen zu können", erklärt Indrika Ratwatte, stellvertretender Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Afghanistan.
Internationale Verantwortung
Trotz der Vielzahl globaler Krisen appelliert Ratwatte eindringlich an die Geberländer, Afghanistan nicht zu vergessen: "Die internationale Gemeinschaft muss sicherstellen, dass lang anhaltende Krisen wie jene in Afghanistan bei allen schwierigen Priorisierungen nicht vergessen werden." Er warnt: "Jugendliche ohne Hoffnung und Perspektiven - das ist in keinem Land eine gute Situation. Es fördert gewaltsame Radikalisierung."
So schließt Ratwatte mit einem Appell an die internationale Gemeinschaft: "Bitte bleiben Sie an der Seite der Menschen in Afghanistan. Sie bitten darum, sie brauchen es, und ich denke, wir haben die Verpflichtung, solidarisch mit ihnen zu bleiben."
Während auf diplomatischer Ebene über Verantwortung und Hilfspakete diskutiert wird, kämpfen Familien wie die von Parwana jeden Tag ums Überleben. Ihr Mann Matiullah, früher Tagelöhner, findet kaum noch Arbeit. "Früher konnten wir unsere Familie dank ausländischer Hilfe ernähren. Jetzt bleibt uns nur noch Geduld - und Kartoffeln mit trockenem Brot", sagt er.