Ein Arzt lädt Daten auf die elektronische Patientenakte

Elektronische Patientenakte Kann die ePA der Forschung helfen?

Stand: 29.04.2025 06:00 Uhr

Forscher sollen bald auf Daten aus der elektronischen Patientenakte zugreifen können, wenn die Patienten nicht widersprechen. Doch kann die Akte tatsächlich das liefern, was sich viele von ihr versprechen?

Von Dorothee Rengeling und Doris Tromballa, BR

Seit 2003 wurde im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des Gesundheitsministeriums an der elektronischen Patientenakte (ePA) gearbeitet. In ihr sollen für jeden Patienten alle Gesundheitsdaten an einem Platz digital gesammelt werden. Jetzt ist es so weit: Am 29. April startet die ePA in ganz Deutschland. Sie soll nicht nur die Behandlung von Patienten verbessern. Auch Forscher sollen für Studien auf die ePA-Daten zugreifen können.

Patienten können Zugriff auf ePA-Daten verweigern

In der elektronischen Patientenakte finden sich zum Beispiel Arztbriefe, Röntgenbilder oder verordnete Medikamente. Doch nicht nur Ärztinnen und Ärzte, auch Forschungseinrichtungen können auf Antrag auf diese zentral gespeicherten Daten beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit zugreifen. Bisher war das nur für die Daten möglich, die bei den Krankenkassen für die Abrechnungen vorliegen. "Zu diesen Krankenkassendaten kommen Befunddaten von Patienten hinzu, die sie freiwillig für Forschungszwecke zur Verfügung stellen", sagt Max Geraedts, Professor am Institut für Gesundheitsversorgungsforschung und Klinische Epidemiologie an der Philipps-Universität in Marburg. Dabei liegt die Betonung auf "freiwillig". Denn jeder Patient kann die Zugriffe auf die ePA zu Forschungszwecken verweigern.

Ziel: bessere Versorgung und mehr Wissen

Viele Wissenschaftler hoffen jedoch auf eine breite Zustimmung, denn die Daten sind vor allem für zwei Bereiche interessant, erklärt Medizindaten-Forscher Patrick Rockenschaub von der Universität Innsbruck: "Man versucht herauszufinden, wie in Deutschland das Gesundheitssystem funktioniert, und auch, ob es die richtigen Leute erreicht. Das zweite ist ganz klar die Wissensgenerierung: Welche Zusammenhänge gibt es, was sind die Langzeitfolgen von bestimmten Krankheiten oder auch Risikofaktoren.“

Für die Versorgungsforschung liefert die ePA also wertvolle Daten. Und auch für die Epidemiologie - also das Teilgebiet der Medizin, das das Vorkommen und die Verteilung von Krankheiten in der Bevölkerung untersucht. Bei der Auswertung gibt es aber gleich mehrere Haken.

ePA-Daten für die Wissenschaft nur eingeschränkt nutzbar

Jürgen Windeler war Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Er meint: Die ePA-Daten sind nur sehr eingeschränkt für die Forschung nutzbar, weil sie einer sogenannten "systematischen Verzerrung" unterliegen. Diese entsteht, wenn es beispielsweise bei der Auswahl der Teilnehmer für eine Studie eine bestimmte Einschränkung gibt, die die Ergebnisse später beeinflusst. Genau das sei bei den ePA-Daten der Fall. Denn zum einen kann man der Datenaufnahme widersprechen, zum anderen machen die privaten Krankenversicherungen bei der ePA nicht mit. "Das heißt, es gibt dann natürlich Ergebnisse, die man auf einen großen Teil der Bevölkerung gar nicht anwenden kann", erklärt Windeler.

Dazu kommt, dass die Art, wie die Daten vorliegen, die Forschungsarbeit zusätzlich erschwert: "Diese Daten entstehen in der Versorgung irgendwo in der Regel als pdf-Dateien, Bilder, Filme, alles, was man sich da so vorstellen kann. Und die werden jetzt relativ unterschiedslos auf irgendeinen Datenhaufen gespielt. Mit diesen Daten kann man in der Forschung faktisch nichts anfangen", beklagt Windeler. Darüber hinaus könne die Auswertung epidemiologischer Datensätze immer nur statistische Zusammenhänge aufzeigen, aber keine tatsächlichen Ursache-Wirkungsbeziehungen erbringen. Windeler hält es deswegen für unwahrscheinlich, dass sich die Ankündigung, "Daten können Menschen heilen", (Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn, 2020) bald verwirklichen lässt.

Großbritannien als Teststrecke für Forschung

In Großbritannien können Forscher schon seit einiger Zeit Gesundheitsdaten der britischen Bevölkerung für Forschungszwecke nutzen. Während der Covid-19-Pandemie konnte so gezeigt werden, dass ein bestimmtes Medikament die Sterblichkeit von Covid-19-Erkrankten im Krankenhaus senkt. "Wenn es die elektronische Patientenakte auch in Deutschland schon gegeben hätte, dann hätten wir auch die Wirkung der Impfungen zu Covid-19 überprüfen können", sagt Iris Pigeot, Direktorin des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. "Wenn es neue Interventionen gäbe, zum Beispiel bei einer neuen Pandemie - von der ich hoffe, dass sie nicht eintrifft - dann können wir deren Wirksamkeit eben selbst überprüfen."

Doch auch in Großbritannien ist das Problem der Datenqualität bekannt. Analyst Patrick Rockenschaub hat schon mit derartigen Datensätzen gearbeitet und bezeichnet sie als "pdf-Hölle". Er hofft, dass man das Problem durch den verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz in den Griff bekommen kann. Bis alle Daten für die Forschung genutzt werden können, wird es aber noch Jahre dauern. Windeler rät Forschern, nicht zu viel Zeit mit dem "Stöbern in den ePA-Daten" zu verbringen, sondern ihre Forschungszeit lieber auf klinische Studien zu verwenden, die wirklich wissenschaftliche Beweise liefern können.