
BGH-Urteil zu "Kundenanlagen" Strengere Regeln für die Stromerzeugung vor Ort
Lokal produzierter Strom, der durch kurze Leitungen direkt zum Kunden fließt: Dieses Angebot einiger Energieversorger ist günstig, weil Netzgebühren entfallen. Ein BGH-Urteil dürfte das nun ändern.
Ein Energieversorger aus Sachsen wollte vor Ort Strom für 250 Wohnungen erzeugen und diesen an die Bewohner verkaufen. Der Strom sollte von der Erzeugungsanlage direkt in die Wohnung transportiert werden. Dafür sollte der Strom durch kurze Leitungen fließen.
Solche lokalen Verteilkabel werden auch als "Kundenanlage" bezeichnet. Der Vorteil der Kundenanlage: Ihr Betreiber gilt nicht als Netzbetreiber. Damit muss er nicht die für Netzbetreiber typischen Pflichten erfüllen. So spart er sich viel Bürokratie und muss keine Netzgebühren bezahlen. Das macht den Strom auch für die Endverbraucher günstiger.
Die Betreiber vieler Kundenanlagen fürchten seit einigen Monaten um die Vorteile ihrer Anlagen. Ohne die Sonderregeln für die Stromerzeugung und Weiterleitung vor Ort würden spürbare, vor allem finanzielle Folgen für die Verbraucher drohen, sagt Manuel Rink, Geschäftsführer eines Energieunternehmens aus Karlsruhe: "Wenn das Privileg der Kundenanlage fällt, dann müsste man die ganze vorgelagerte Infrastruktur mitbezahlen. Das hätte zur Folge, dass sowohl der Strom als auch die Wärme von solchen Kundenanlagen sich deutlich verteuern."
Keine Sonderregeln für Kundenanlagen
Und genau das wird bei vielen Kundenanlagen jetzt höchstwahrscheinlich passieren: Der Grund ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Die Karlsruher Richterinnen und Richter sagen: Wer vor Ort Strom produziert und weiterverkauft, betreibt keine Kundenanlage, sondern ein Stromnetz und muss Netzgebühren verlangen.
"Die Leitungsanlagen der Antragstellerin sind aber Verteilernetze in diesem Sinn. Sie dienen der Weiterleitung von Elektrizität, die zum Verkauf an Endkunden durch die Antragstellerin bestimmt ist. Damit können sie nicht von den für die Regulierung der Netze geltenden Vorschriften ausgenommen werden", sagte Stefanie Roloff, Vorsitzende des Kartellsenats, bei der Urteilsverkündung.
Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung
Das BGH-Urteil kommt nicht überraschend. Schon im November 2024 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die deutschen Regeln für Kundenanlagen gegen EU-Recht verstoßen. Denn nach EU-Recht müssten für alle Stromerzeuger in der EU die gleichen Regeln gelten, so der EuGH. Ob der Strom vor Ort produziert und nur an eine überschaubare Zahl von Kunden verkauft wird, spiele nach Europarecht keine Rolle. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nun für Deutschland umgesetzt.
Kritiker der EU-Rechtslage meinen allerdings, dass es lokale Stromanlagen nun sehr schwer haben dürften. Wie es für diese Anlagen - gerade auch im Bereich Ökostrom - weitergeht, kann nur auf EU-Ebene geklärt werden, beispielsweise durch neue Sonderregeln für die Stromerzeugung vor Ort. Ob solche Regeln kommen, ist derzeit allerdings noch offen.
Wichtig ist aber: Wer Strom nur für sich selbst produziert, etwa mit einer Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach, und den Strom nicht an andere weiterverkauft, ist von dem heutigen BGH-Urteil nicht betroffen.