
Frankreich-Boom in Japan Kult-Comic "Die Rose von Versailles" neu verfilmt
Seit mehr als 50 Jahren boomt in Japan der Kult-Comicfilm "Die Rose von Versailles". In Europa wurde die Reihe Mitte der 90er-Jahre als "Lady Oscar" populär. Nun erscheint auf Netflix eine Neuverfilmung.
Von Dominic Konrad, SWR
Das Interesse an Frankreich, seiner Kultur und Geschichte ist in Japan seit Jahrzehnten ausgesprochen hoch. Besonders beliebt bei japanischen Touristen ist das Schloss von Versailles. Bis zur Französischen Revolution war es Zentrum der Macht und des monarchischen Selbstverständnisses der französischen Könige.
Eine zentrale Rolle für die japanische Frankreich-Manie wird dabei einem Manga zugeschrieben. "Die Rose von Versailles" von Riyoko Ikeda, veröffentlicht 1972, verkaufte sich in den vergangenen 50 Jahren mehr als 23 Millionen Mal. Es ist ein generationenübergreifender Erfolg, der heute als Meilenstein in der Geschichte des japanischen Comics gilt.
Sie habe eine Geschichte über den Aufstand des Volkes schreiben wollen, erinnerte sich Autorin und Zeichnerin Ikeda in späteren Interviews. Ihrem Verlag schlug sie deshalb einen Comic über Frankreichs Königin Marie-Antoinette und die Zeit der Französischen Revolution vor. Als Hauptquelle habe ihr dabei Stefan Zweigs Biografie über die berühmte Königin gedient.
Ein Comic über die Französische Revolution
"Das Jahr 1755. Drei Kinder wurden in diesem Jahr in drei Ländern Europas geboren, um sich viele Jahre später am Hof von Versailles zu treffen." So eröffnet Ikeda ihre Geschichte. Zwei dieser Kinder sind historische Persönlichkeiten: Marie-Antoinette und der schwedische Graf Hans Axel von Fersen, der als ihr Favorit und vermuteter Liebhaber in die Geschichte einging.
Ihre dritte Protagonistin hat Ikeda hingegen frei erfunden: Oscar François de Jarjayes, eine französische Adelige, die als Mann erzogen wurde und Hauptmann der Leibgarde der Königin wird.
Stehen anfangs noch Marie-Antoinette und die Intrigen bei Hofe im Zentrum der Handlung, wechselt der Fokus bald auf die androgyne Gardekommandantin Oscar. Die Figur der Frau in einer Männerrolle, die mit den gesellschaftlichen Erwartungen und dem eigenen sexuellen Begehren hadert, trifft einen Nerv bei den Leserinnen. Schließlich macht Ikeda die Gardekommandantin zur Vorkämpferin der Revolution.

Bild aus dem Netflix-Comic "The Rose of Versailles".
Eine Revolution für den Mädchen-Manga
Neben ihrem Philosophie-Studium begann Riyoko Ikeda Ende der 1960er-Jahre mit dem Comic-Zeichnen. Es war eine Zeit großer politischer Umbrüche, auch in Japan: Ikeda erlebte den Aufstieg der Neuen Linken und engagierte sich in der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Japans. Die Aufbruchsstimmung ihrer Generation übersetzt Ikeda in schwarz-weiße Comic-Panels.
"Die Rose von Versailles" wird zum Publikumserfolg. Als kommerziell erfolgreiche Autorin steht Riyoko Ikeda nun an der Spitze einer neuen Generation von Zeichnerinnen, die Mangas für eine weibliche Leserschaft zum ernst zu nehmenden Comicgenre machen.
Während in den 1960er-Jahren noch vorrangig männliche Zeichner rührselige Liebesgeschichten für das weibliche Publikum produzieren, setzen sich Ikeda und ihre Weggefährtinnen mit Themen wie Frauenrechte, sexuelle Befreiung, Psychologie und gesellschaftlicher Umbruch auseinander - und erreichen so neue Leserschichten.
Internationaler Erfolg und Würdigung in Frankreich
1979 verfilmt der französische Regisseur Jacques Demy den Comic als Historiendrama. Auch eine Umsetzung als Zeichentrickserie entsteht, die unter dem Titel "Lady Oscar" mit großem Erfolg in Deutschland und anderen europäischen Ländern ausgestrahlt wird.
Für ihre Verdienste um die französische Kultur wird Autorin Riyoko Ikeda schließlich im Jahr 2008 zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt.
Neuverfilmung startet bei Netflix
Über eine Neuverfilmung des Stoffes wurde lange spekuliert. Im Januar 2025 startete "The Rose of Versailles", so der englische Verleihtitel, schließlich in den japanischen Kinos. Netflix bietet den Zeichentrickfilm ab dem 30. April international zum Streaming an.
Die mehr als 1.800 Seiten der Vorlage auf Spielfilmlänge zu kürzen, stellt sich dabei als Problem heraus. Während die Qualität der Animation herausragend ist, wird die Handlung episodenhaft und mit Musical-Elementen erzählt. Deutlich spürbar richtet sich der Film an ein Publikum, das mit dem Manga bereits bestens vertraut ist.
In Japan hat der Film dem Interesse an Riyoko Ikedas Manga neuen Auftrieb gegeben. Ob ein ähnlicher Boom auch international zu erwarten ist, bleibt fraglich.