
Nordrhein-Westfalen "Thema wird so totgeschwiegen!" - Wut über Abtreibungsverbot Lippstadt
Die Kritik am Verbot von medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüchen nach der Fusion des Katholischen mit dem Evangelischen Krankenhaus in Lippstadt reißt nicht ab. Tausende Frauen haben bereits auf Social-Media-Kanälen ihre Kommentare gegen das Verbot abgegeben. Erstmals melden sich zwei Frauen zu Wort, die in Lippstadt abgetrieben haben.
Eine Schaukel, eine Rutsche, jede Menge Spielsachen: Der Garten in der Neubausiedlung in Anröchte lässt Kinderherzen höher schlagen. Ein Mädchen und ein Junge tollen darin herum. Sarah Kammann liebt den Anblick. Zu Beginn des Jahres hatten sie und ihr Mann sich ausgemalt, wie es sein würde, wenn auch noch das dritte Kind mitspielen würde.
Diagnose: Ihr Kind ist nicht lebensfähig
"Wir haben unseren Lebenstraum verloren", sagt die 36-Jährige und zeigt auf den Kamin, auf dem eine Kerze leuchtet. Sie leuchtet für Emil. Emil hatte Triploidie, eine Genmutation, mit der Kinder in den meisten Fällen langfristig nicht lebensfähig sind.
Diese Diagnose erhielt Sarah Kammann nach dem dritten Schwangerschaftsmonat: "Bei einer meiner üblichen Ultraschalluntersuchungen wurde die Frauenärztin plötzlich ganz still."
"Katholische Kirche legt Frauen Steine in den Weg"
Die Entscheidung zur Abtreibung sei ihr schwer gefallen, sagt Sarah Kammann. Irgendwann sei die körperliche und seelische Belastung einfach zu groß geworden. "Wir haben vorgezogen, was die Natur geregelt hätte."
Es mache sie wütend, dass Frauen von der katholischen Kirche Steine in den Weg gelegt würden und eine Abtreibung wie in ihrem Fall am Lippstädter Klinikum jetzt verboten ist. Bislang war das möglich. Auf Drängen des Katholischen Krankenhauses war das Verbot eine der Bedingungen für die Fusion.
Dieses Thema wird so totgeschwiegen!
Sarah Kammann aus Anröchte
Frauen, die abgetrieben haben, müssen lauter werden, ist Sarah Kammann überzeugt. "Ich habe seither Frauen getroffen, die sagen, Mensch, ich habe etwas Ähnliches erlebt. Es hilft, offen zu reden."
"Ich bin katholisch, aber irgendwo hört es auf"
Dieser Meinung ist auch Jessica aus Lippstadt. Sie lebt im zweiten Stock eines Mietshauses. An den Wänden im Wohnzimmer hängen Fotos ihrer zwei Kinder. Die 28-Jährige möchte ihren vollen Namen nicht öffentlich nennen.
Auch sie hat abtreiben lassen, im fünften Monat. Bei ihrem dritten Kind hatten die Ärzte eine schwere Behinderung festgestellt. "Meine Tochter wäre körperlich und geistig schwer behindert gewesen." Bei der Abtreibung im Lippstädter Krankenhaus habe man sie seelisch aufgefangen, "alle sind so behutsam mit mir umgegangen und mir wurde optimal geholfen".
Als sie davon hörte, dass nach der Fusion der beiden Lippstädter Krankenhäuser Abbrüche verboten sind - außer, es besteht Gefahr für das Leben der Mutter -, habe sie sich entschlossen, von sich zu erzählen. "Ich bin katholisch, aber irgendwo hört es auf!"
Jeder Mensch sollte über seinen eigenen Körper bestimmen dürfen und was da in einem heranwächst.
Jessica aus Lippstadt
Idee: Petition gegen Abtreibungsverbot
Jessica aus Lippstadt und Sarah aus Anröchte wollen den Chefarzt der Frauenheilkunde am Klinikum Lippstadt, Prof., Dr. Joachim Volz, unterstützen. Er hat gegen das Verbot der Klinik geklagt. Ein Ergebnis wird bis Mitte des Jahres erwartet.

Das Lippstädter Klinikum steht wegen seines Abtreibungsverbots in der Kritik
Sarah Kamman denkt an eine Unterschriftenliste, eine Petition. Was ist, wenn immer mehr Krankenhäuser mit katholischen Gesellschaften fusionieren, fragt sie sich. "Müssen Frauen dann zur Abtreibung künftig wieder in die Niederlande - so wie das vor Jahrzehnten schon mal war?"
Unsere Quellen:
- Sarah Kamman
- Jessica
- Prof. Dr. Volz
- Reporterin vor Ort
Über dieses Thema berichtet der WDR am 30.04.2025 auch im Radio auf WDR 2.