AfD "gesichert rechtsextremistisch"

Nordrhein-Westfalen Gesichert rechtsextremistisch: Welche Folgen die neue AfD-Einstufung hat

Stand: 02.05.2025 20:49 Uhr

Der Verfassungsschutz bewertet die AfD als rechtsextremistische Partei. Das hat weitreichende Folgen bis in die untersten Parteigliederungen.

Von Christoph Ullrich

Der Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Bisher galt das nur für einzelne Landesverbände. Damit darf die Behörde die AfD mit Geheimdienstmethoden umfassender kontrollieren. Die AfD will jetzt juristisch dagegen vorgehen.

Die neue Einstufung der Partei hat auch in NRW wieder Diskussionen um ein Verbot der AfD ausgelöst - auch auf Social Media. Die WDR-aktuell-Community bei Facebook und Threads hat uns Fragen geschickt, die wir hier beantworten.

Warum wurde die AfD jetzt hochgestuft?

Es geht vor allem um den "Volksbegriff" der Partei. Laut Verfassungsschutz gibt es in der Partei ein vorherrschendes "ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis". Das bedeutet, dass nicht alle Deutschen mit einem deutschen Pass automatisch gleiche Rechte haben, wie es das Grundgesetz in Artikel §116 vorgibt. Demnach gibt es genug Äußerungen von Parteimitgliedern, die "deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten Volkes", schreibt die Behörde.

Einfach übersetzt: Für den Verfassungsschutz wird in der AfD zwischen Deutschen erster Klasse und zweiter Klasse unterschieden. Und das widerspricht der Verfassung.

Außerdem wirft das Amt der Partei vor, dass es bis in die Spitze der Partei hinein Kontakte zu rechtsextremen Kräften außerhalb der AfD gibt und auch die Programmatik bei den vergangenen Wahlen in Bund und einzelnen Ländern mit ausschlaggebend waren. Dazu wurde auch ein neuerliches Gutachten in Auftrag gegeben, das die Basis für die Entscheidung sein soll.

Die AfD kritisiert dabei, dass sie keine Einsicht in das Gutachten bekommen habe, ebenso wie die Öffentlichkeit nicht. Allerdings waren vorangegangene Gutachten mit der Zeit durch Recherchen von Medien an die Öffentlichkeit gelangt.

Wie unabhängig ist der Verfassungsschutz?

Gerade die Frage nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung wirft diese Frage auf. Der Bundesverfassungsschutz gehört organisatorisch zum Innenministerium. Dies wird bis Anfang nächster Woche von der SPD geführt - Noch-Innenministerin Faeser hat die Hochstufung am Freitag bei einer Pressekonferenz vorgestellt. In der kommenden Woche zum Start der neuen Bundesregierung geht das Amt an die CSU über.

Auch wenn es so wirken könnte, als sei dies eine "Weisung" der SPD-Innenministerin: Diese Vermutung wäre falsch. Der Verfassungsschutz arbeitet unabhängig und trifft Entscheidungen eigenständig. Darauf wurde auch in diesem Fall verwiesen.

Die Hochstufung selber kommt zudem wenig überraschend. Vor einem Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht in Münster in einem wegweisenden Urteil final entschieden, dass die AfD als "Verdachtsfall" eingestuft werden darf. Schon damals hatte der Verfassungsschutz daraufhin eine Neubewertung angekündigt. Die Richter hatten zudem deutlich festgestellt, dass es rechtsextremistische Tendenzen in der Partei gibt.

Was kann der Verfassungsschutz jetzt mit der AfD machen?

Die Partei war bisher ein "rechtsextremer Verdachtsfall". Schon da war es möglich, dass sie durch den Verfassungsschutz beobachtet werden kann - sei es durch Sammlungen von Informationen aus Tagesmedien oder einzelner Informationen aus der Partei. Mit der Hochstufung hat die Behörde nun noch mehr Kompetenzen in der Beobachtung. So können Informanten aus der AfD angeworben werden, Treffen und Telefongespräche überwacht werden. Das heißt, eine Überwachung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ist zulässig.

Was heißt das für die Partei im Bundestag?

Für die Bundestagsmitglieder der Partei zunächst einmal nichts. Sie haben - sofern nicht aufgehoben - Immunität, also den Schutz vor Strafverfolgung und damit auch vor der geheimdienstlichen Überwachung. Maximal dürfen also Sammlungen aus bereits vorhandenen oder frei zugänglichen Quellen erstellt werden.

Anders sieht das jedoch für die Mitarbeitenden der Fraktion aus. Die können grundsätzlich, wenn der Anlass besteht, einfacher beobachtet werden. Dass dadurch auch weitreichende Erkenntnisse über die Arbeit der Fraktion erlangt werden, ist damit so gut wie sicher. Im Umkehrschluss bedeutet das aber für die Abgeordneten, dass ihre Arbeit schwerer wird.

Was bedeutet die Hochstufung für die Partei in NRW?

Der Landesverband ist aktuell nicht als rechtsextremistisch eingestuft. Das galt beim Landesverfassungsschutz bisher nur für die inzwischen aufgelöste Jugendorganisation der AfD, "Junge Alternative" (JA). Eine Hochstufung auch in NRW ist nun allerdings wahrscheinlicher geworden. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht in der neuen Einschätzung des Bundesverfassungsschutzes ein wichtiges Signal: "Die AfD missachtet objektiv überprüfbar, was unser Land ausmacht: unsere freiheitliche demokratische Grundordnung", sagte Reul am Freitag auf Anfrage.

AfD-Landeschef Martin Vincentz bezeichnete die Entscheidung dagegen als "grotesk". Es gebe für ihn keine Anhaltspunkte für diese Entscheidung. Er rechne auch nicht damit, dass die AfD in NRW jetzt hochgestuft wird. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte, so Vincentz auf WDR-Nachfrage.

Allerdings dürfte die Entscheidung intern ganz andere Folgen haben. So könnte ein neuerlicher Machtkampf in der Partei noch mehr Fahrt aufnehmen. Vincentz versucht die AfD im Land auf einem nationalkonservativ-bürgerlichen Kurs zu halten.

Sein Widersacher Matthias Helferich sieht das anders. Der Dortmunder Bundestagsabgeordnete ist aus dem ultrarechten Lager der Partei. Er sieht den "pseudo-bürgerlichen Kurs von Martin Vincentz" als gescheitert an. "Der politische Kampf gegen den Verfassungsschutz als Willkürbehörde hat sich als richtig erwiesen", schreibt Helferich dem WDR. Damit dürften neue Lagerkämpfe im größten AfD-Landesverband programmiert sein.

Was bedeutet das für einfache AfD-Mitglieder?

Auch sie können nun vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Besonders heikel ist die Hochstufung jedoch für Beamte und Beamtinnen. Da der Verfassungsschutz in der AfD eine verfassungsfeindliche Organisation sieht, stehen mögliche Parteimitglieder im Staatsdienst vor Problemen. So geben Lehrerinnen, Polizistinnen, Richter und auch JVA-Beamte einen Eid auf das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Daher kann eine AfD-Mitgliedschaft nun auch dienstrechtliche Konsequenzen haben.

Hat die Einstufung Einfluss auf ein Verbotsverfahren?

Die Forderung nach einem Verbot hat neue Nahrung erhalten. Aus dem Landtag in NRW sind auch schon entsprechende Forderungen zu hören. Der SPD-Fraktionschef und Oppositionsführer Jochen Ott hält dieses Verfahren für immer wahrscheinlicher. "Es vergeht keine Plenarwoche, in der aus der AfD-Fraktion keine menschenverachtenden, rassistischen oder demokratiefeindlichen Angriffe kommen", erklärt Ott.

Die Fraktionschefin der kleineren NRW-Regierungspartei, den Grünen, Verena Schäffer sieht die Zeit für ein Verbotsverfahren auch gekommen. "Seit Jahren radikalisiert sich die AfD immer weiter, hält enge Kontakte zu gewaltbereiten Neonazis und vertritt menschenverachtende und demokratiefeindliche Positionen", sagt Schäffer.

Allerdings ist ein Verbotsverfahren aktuell erst einmal vom Tisch. Das müsste entweder die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag auf den Weg bringen. Union und SPD hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen nicht darauf verständigt, einen Verbotsantrag zu stellen. Damit gibt es aktuell keine ausreichende Mehrheit für ein solches Verfahren.

Wie kann sich die AfD gegen die Einstufung wehren?

Die Partei hat bereits angekündigt, juristisch gegen den Verfassungsschutz vorzugehen. Der weitere Verlauf wird wahrscheinlich auch wieder vor NRW-Gerichten stattfinden. Das liegt daran, dass der Bundesverfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat. Deshalb wird vor dem Verwaltungsgericht in Köln zuerst entschieden. Die letzte inhaltliche Instanz könnte dann - wie schon vor einem Jahr - das Oberverwaltungsgericht in Münster sein.