
Brandenburg Märkisch-Oderland: Wie der Zweite Weltkrieg noch immer die Innenstadt von Wriezen prägt
Auf dem Weg der Roten Truppen nach Berlin gab es im Oderland nicht nur bei den Seelower Höhen erbitterte Gefechte. Auch Wriezen war umkämpft und wurde in großen Teilen zerstört. Bis heute prägen Leerstellen das Stadtbild.
Im Stadtzentrum von Wriezen (Märkisch-Oderland) herrscht eine große Leere. Ein farbiges Rechteck auf dem Pflaster markiert den Grundriss des einstigen Rathauses. Das historische Original, das im 14. Jahrhundert gebaut wurde, war einst Amtssitz des Oderbruchs und Sitz der Hechtreißer-Gilde, die den Fischhandel der Region kontrollierte. Dort war auch ein Gericht sowie ein Gefängnis samt Folterkammer zu finden.

Früher Zeichen für Handelszentrum, heute leerer Marktplatz
Das prunkvolle Gebäude solle die Stellung des Ortes präsentieren, erklärt Historiker Reinhard Schmook vom Oderland-Museum Bad Freienwalde. "Man wollte vorzeigen: Wir sind hier wer. Wriezen war in der weiteren Umgebung die bedeutendste Stadt an der Oder. Zeitweilig sogar bedeutender als die späteren Regierungsstädte Frankfurt (Oder) und Stettin."

Historisches Rathaus vor heutiger Kulisse
Im April 1945 wurde das Zentrum von Wriezen allerdings innerhalb weniger Tage ausgelöscht. Rathaus, Kirche, Bahnhof brannten nach Granatentreffern. Soldaten der Roten Armee und der SS beschossen sich mitten in der Stadt mit Panzern. Das Rathaus wurde danach nicht mehr aufgebaut. "Das war alles zerstört. Alles, die Kirche, alle Häuser waren ausgebrannt", sagt Schmook. "Da standen nur die nackten Außenwände. Und unter diesen Umständen ein einzelnes Gebäude wieder aufzubauen, war damals nicht möglich."

Kriegsschäden in der Innenstadt von Wriezen
Auch Marienkirche und Einkaufsstraße zeigen Kriegsspuren
Sichtbar sind die Wriezener Kriegsspuren nicht nur durch die leere Rathausfläche. Auch ein Blick auf die dahinter liegende Marienkirche zeigt einen schmerzlichen Verlust an. Die ist in den vergangenen Jahren wiederaufgebaut worden - aber kleiner als das alte Gotteshaus. Das Kirchenschiff war deutlich größer, der Turm doppelt so hoch wie heute.
Auch von der angrenzenden Geschäftsstraße mit den vielen Läden ist kaum noch ein Gebäude erhalten. "Wenn man die Geschichte kennt und wenn man sich hier umkuckt, dann ist es eigentlich schwer zu ertragen, dass so eine schöne Stadt mit so einem prägnanten Stadtbild einfach weg ist und nicht wiederkommen wird", so Historiker Schmook.

Geschäftsstraße in Wriezen heute und vor dem Krieg
Wriezen tritt Bündnis für Frieden bei
"Die Innenstadt hat nicht mehr diesen Charme, den sie vor dem Krieg hatte", räumt Bürgermeister Karsten Ilm (CDU) ein. "Das sollte uns eine Mahnung sein, was ein Krieg anrichtet." Aus diesem Grund haben sich die Stadt und ihr Bürgermeister vor wenigen Tagen der internationalen Initiative "Mayors for Peace" angeschlossen - einer Friedensinitiative von Stadtoberhäuptern, gegründet 1982 durch den Bürgermeister von Hiroshima.
Dem Netzwerk gehören inzwischen rund 8.400 Kommunen aus 166 Ländern an. Und auch in Wriezen wisse man, was es heiße, wenn eine Stadt dem Erdboden gleich gemacht werde, sagt Karsten Ilm.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 28.04.2025, 19:30 Uhr
Mit Material von Fred Pilarski