U-Bahn-Baustelle in München.

Bayern München: Führt U-Bahn-Bau in finanzielles Desaster?

Stand: 30.04.2025 06:00 Uhr

Die Stadt München baut schon seit 2022 eine Verlängerung der U5. Noch immer ist aber nicht geklärt, ob es dafür eine Förderung gibt. Einen Teilabschnitt muss die Stadt auf alle Fälle komplett selbst bezahlen, wie BR-Recherchen zeigen.

Von Erich Wartusch

In den letzten Jahren ist es immer kostspieliger geworden, eine U-Bahn neu zu bauen. Allein für die geplante Strecke im Münchener Westen vom Laimer Platz nach Pasing liegt die letzte Kostenberechnung bei 1,3 Milliarden Euro – für 3,8 Kilometer U-Bahn. Eine gewaltige Summe, die möglicherweise noch weiter ansteigt, denn die neue Strecke dürfte vor 2030 nicht fertig werden.

Wer bezahlt die U-Bahn?

Für solche Verkehrsprojekte gibt es in der Regel üppige Förderbeträge. So bezahlt der Bund 75 Prozent der förderfähigen Kosten aus dem Topf des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG). Der Freistaat legt dann noch einmal zehn Prozent drauf. Voraussetzung ist, dass das Projekt in einer Nutzen-Kosten-Untersuchung ein Ergebnis über 1 erzielt. Diese Untersuchung erfolgt nach dem standardisierten Bewertungsverfahren. Liegt das Ergebnis unter 1, bedeutet dies: Das Projekt hat keinen ausreichenden gesamtwirtschaftlichen Nutzen, also zum Beispiel zu wenig prognostizierte Fahrgäste. In diesem Fall muss der Bauherr die Kosten komplett selbst tragen.

U5 scheitert bei der Untersuchung

Im August 2024 hat nun die Stadt München eine Förderung beantragt, mehr als zwei Jahre nach dem Baubeginn der U-Bahn-Verlängerung. Ein Procedere, das laut Stadtkämmerer Christoph Frey nicht unüblich ist, aber "uns auch die eine oder andere schlaflose Nacht verbringen lässt". Frey hofft, dass die Stadt noch in diesem Jahr einen positiven Förderbescheid erhält. Entsprechende Signale habe es aus dem bayerischen Verkehrsministerium bereits gegeben, da die Kosten-Nutzen-Untersuchung das Ergebnis von 1,13 ergeben hat. Doch die Stadt hat dazu einen Kniff angewandt. Um ein solches Ergebnis zu erhalten, wurde die Strecke Willibaldstraße-Freiham untersucht. Das bedeutet zweierlei: Für den ersten Abschnitt vom Laimer Platz bis zur Willibaldstraße ist gar kein Förderantrag gestellt worden. Offenbar waren dafür die Rahmenbedingungen zu schlecht. Der Antrag bezieht dafür stattdessen eine Strecke mit ein, die zwar ein frommer Wunsch, aber deren Bau noch unabsehbar ist.

Neuer Stadtteil soll eine gute Anbindung bekommen

Freiham ist derzeit das größte und ambitionierteste Städtebauprojekt Deutschlands. Hier sollen einmal mindestens 25.000 Menschen leben. Derzeit fahren Busse und zwei S-Bahn-Linien in den Stadtteil am äußersten Rande Münchens. Eine zusätzliche U-Bahn-Anbindung würde über die U5 erfolgen. Für alle Fälle wird in Freiham bereits für etwa 100 Millionen Euro ein Vorhaltebauwerk geschaffen, damit für einen etwaigen späteren U-Bahn-Bau der Autobahnzubringer nicht noch einmal aufgerissen werden muss.

Dort sollen einmal hinter der Endstation U-Bahn-Züge abgestellt werden. Doch ob und wann diese U-Bahn kommt, steht noch in den Sternen. Stadtkämmerer Christoph Frey sagt: Wegen der erheblichen Kostensteigerungen im Baubereich sind weitere U-Bahn-Neubauten und "bei der Finanzierung unter den Bedingungen, wie wir sie heute vorfinden, derzeit nicht darstellbar". Er hofft, dass sich die Situation, beispielsweise durch den Klima- und Transformationsfonds, in den kommenden Jahren verbessert. Eine Garantie gibt es dafür nicht.

Reiche Stadt plötzlich finanziell klamm

Stattdessen muss die Stadt München damit klarkommen, einen U-Bahn-Teilabschnitt komplett selbst zu finanzieren (Laimer Platz-Willibaldstraße). Und das, obwohl die einzelnen Referate der Landeshauptstadt sparen und Investitionen gedeckelt werden müssen, damit die Stadt ihre Schulden auch in Zukunft noch begleichen kann. Kämmerer Christoph Frey rechtfertigt die Ausgaben für den U-Bahn-Bau mit der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage. Noch vor einigen Jahren seien die Überschüsse aus laufender Verwaltungstätigkeit der Stadt "bei fast einer Milliarde Euro" gelegen. Damals habe sich der Stadtrat leichtgetan, einen U-Bahn-Neubau zu forcieren – ungeachtet der ungeklärten Förderung.

Der Kämmerer rechnet nun mit 600 Millionen Euro Zuschüssen. Das hieße aber auch: mehr als die Hälfte der aktuell berechneten Kosten für die U5-Verlängerung bis Pasing müsste die Stadt selbst übernehmen.

Wäre weniger mehr gewesen?

Der Stadtrat entschied sich einstimmig für die U-Bahn-Verlängerung. Dabei ist das Projekt nicht unumstritten. Schließlich führt die Trasse nur einen knappen Kilometer parallel zur bestehenden S-Bahn-Strecke. Berthold Maier, Sprecher des Arbeitskreises "Attraktiver Nahverkehr" im Münchner Forum, kritisiert den Freistaat Bayern. Hätte er frühzeitig auf allen S-Bahn-Linien für einen 10-Minuten-Takt gesorgt, wäre seiner Meinung nach kein größerer Bedarf für eine extra U-Bahn nach Pasing vorhanden. Maier zitiert zudem eine knapp zehn Jahre alte Untersuchung, die ergeben habe, dass eine Straßenbahnverbindung nach Freiham einen deutlich höheren Nutzen mit mehr Fahrgästen und erheblich weniger Kosten haben würde. Nicht nur er befürchtet, dass die Stadt München mit dem U-Bahn-Bau am Ende in die Röhre schauen könnte.

Die ganze Recherche hören Sie heute (30.4.) um 12:15 Uhr in der Sendung Funkstreifzug im Radioprogramm von BR24 oder schon jetzt in der ARD-Audiothek.

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Quelle: Der Funkstreifzug 30.04.2025 - 12:15 Uhr