
Zapfenstreich für Scholz Beharrlich bis zum Schluss
Nach nur dreieinhalb Jahren verlässt Olaf Scholz das Kanzleramt - und wird heute mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Doch ganz verschwinden wird er nicht. Typisch Scholz halt.
"Scholzig" - dieses Wort wird bleiben von Kanzler Olaf Scholz. Es soll heißen: wortkarg, eher emotionslos, trocken wie ein Brötchen. Zumindest kann der noch geschäftsführende Kanzler über sich selbst Witze machen, wie er bei einer Büttenrede bei einem Neujahresempfang unter Beweis stellte: "Scholzomat, Olaf der Schweiger. Ein Hamburger Jung - das trifft nicht überall auf Begeisterung."
Doch ein Land regieren ist mehr als Büttenreden beim Karneval. Scholz versuchte es dreieinhalb Jahre lang in einer Koalition, deren Fliehkräfte von Anfang an groß waren. Und die schließlich im Streit zerbrach.
Da war Scholz gar nicht mehr "scholzig", sondern teilte - sehr persönlich - gegen seinen Finanzminister von der FDP aus. "Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert, zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert, zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen", sagte der Kanzler kurz nach dem Bruch.
Nüchtern oder uninspiriert?
Auch der Mann an der Spitze - der versprochen hatte, "wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch" - trägt für das Ende der Ampel Verantwortung. Denn eine klare Führung fehlte der Dreierkoalition oft.
Dabei war es Scholz, der die SPD 2021 entgegen allen Erwartungen zurück an die Macht führte. Dieser Hamburger Jung mit der politischen Erfahrung von Jahrzehnten: Juso-Vizechef, Bundesminister, Erster Bürgermeister von Hamburg, Vizekanzler unter Merkel. Scholz hat fast alles schon mal gemacht, bevor er ins Kanzleramt einzog. Er könne das, versprach er dem Land - auf seine, wie er es sieht, besonnene Art: "Nerven behalten, nüchtern bleiben und die Entscheidungen treffen, die zu treffen sind."
Nüchtern nennt Scholz seinen Stil. Kritiker sagen, er ist uninspiriert, zögerlich, detailversessen und rechthaberisch. "In erbarmungsloser Weise von sich selbst überzeugt", schrieb das Hamburger Abendblatt einmal.
Kanzler der Zeitenwende
Was Scholz kann, ist mit ernsten Situationen umzugehen: Drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine fand er im Bundestag den richtigen Ton. "Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf (…) oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen."
Die Ampel unter Scholz' Führung beendete die Abhängigkeit vom russischen Gas, managte die Inflation. Doch auch immer wieder Hick-Hack - etwa um Waffenlieferungen. Streit und Zerwürfnisse, nachdem das Bundesverfassungsgericht der Finanzplanung der Regierung den Boden entzog.
Oppositionsführer Friedrich Merz nannte den Kanzler abfällig einen "Klempner der Macht". Scholz hielt beharrlich dagegen mit seinen Kernthemen: soziale Gerechtigkeit, Respekt, Zusammenhalt. Und erreichte damit immer weniger Menschen.
Weitermachen, auch wenn es weh tut
Er regierte an gegen sinkende Umfragewerte - auch als seine eigene Partei längst an ihm zweifelte. Im Februar dann nur noch 16 Prozent bei der Bundestagswahl, so wenig wie noch nie. "Das ist ein bitteres Wahlergebnis für die sozialdemokratische Partei, das ist auch eine Wahlniederlage …"
Der Bundeskanzler wurde abgewählt. Doch Scholz wäre nicht Scholz, wenn er sich jetzt ganz zurückzöge. Er verlässt die Regierungsbank, bleibt aber im neuen Bundestag - als einfacher Abgeordneter. Weitermachen, auch wenn es weh tut. Auch das ist typisch Scholz.
Das Erste überträgt den Großen Zapfenstreich ab 21.00 Uhr in einer ARD-Sondersendung. Die können sie auch bei tagesschau.de im Livestream sehen.