Nancy Faeser und Olaf Scholz

Neueinschätzung des Verfassungsschutzes Scholz und Faeser zögern bei AfD-Verbotsverfahren

Stand: 02.05.2025 14:05 Uhr

Seit heute gilt die AfD in Gänze als rechtsextremistisch. Doch Innenministerin Faeser und Kanzler Scholz sehen hohe Hürden für ein Verbotsverfahren. Die AfD vermutet politische Motive und will sich wehren.

Nach jahrelanger Prüfung stuft der Verfassungsschutz die AfD nun als "gesichert rechtsextremistisch" ein. Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete den Schritt als "klar und eindeutig".

Die Partei verfolge "erwiesenermaßen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung", erklärte sie. Die AfD vertrete eine "völkische Haltung" und diese zeige sich in "rassistischen Äußerungen vor allem gegen Zugewanderte und Muslime".

Faeser: Es gab keine Einflussnahme

Faeser stellte zugleich klar, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eigenständig arbeitet. Die Behörde habe einen "klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen und unsere Demokratie zu schützen", erklärte sie.

Die neue Einstufung sei das Ergebnis einer umfassenden Prüfung, deren Ergebnisse in einem etwa 1.100-seitigen Gutachten festgehalten seien. Das Gutachten ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt ist. Eine Veröffentlichung ist nicht vorgesehen.

"Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben", versicherte Faeser. Die vorherige Bewertung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall sei von Gerichten bestätigt worden. Auch die neue Bewertung werde sicher von unabhängigen Gerichten überprüft werden.

Scholz gegen "Schnellschuss"

Allerdings zeigte sich die Innenministerin zurückhaltend, ob nun ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD eingeleitet werden könnte. Aus guten Gründen gebe es dafür "hohe verfassungsrechtliche Hürden". "Das sollte man nicht ausschließen, aber weiterhin sehr vorsichtig damit umgehen. Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus."

Auch der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) blieb in dieser Frage zurückhaltend. "Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf", sagte er auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover. Er verwies auf Parteiverbotsverfahren, die in der Vergangenheit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert waren, etwa zur rechtsextremistischen NPD. "Ich bin gegen einen Schnellschuss."

Der Verfassungsschutz habe nun eine sehr ausführliche Begründung dafür geliefert, dass die Partei als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Deshalb sei es richtig, dass der Verfassungsschutz seine Beobachtung der Partei nun intensiviere. Nun müssten eine politische Debatte und die Frage nach Konsequenzen auf rechtlicher Ebene folgen.

AfD-Parteivize Brandner: "Unfaire Kampfmaßnahme"

Die AfD hält die Entscheidung des Verfassungsschutzes für politisch motiviert. Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sprachen einem "schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie". Ihre Partei werde kurz vor dem Regierungswechsel öffentlich diskreditiert und kriminalisiert.

"Der damit verbundene, zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess ist daher erkennbar politisch motiviert", erklärten Weidel und Chrupalla. Die AfD werde sich dagegen weiter juristisch zur Wehr setzen.

Parteivize Stephan Brandner sprach von einem rein politischen "Kampf der Kartellparteien gegen die AfD". Als "unfaire Kampfmaßnahme gegen die einzige Oppositionskraft" sei sie allerdings erwartbar gewesen. Als "unsouverän" bezeichnete Brandner gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass die Neubewertung noch von Faeser vorgenommen wurde.

Gegen die Hochstufung als "gesichert rechtsextremistisch" wird die AfD juristisch vorgehen

Iris Sayram, ARD Berlin, Mittagsmagazin, 02.05.2025 12:10 Uhr

CSU-Chef Söder spricht von "finalem Weckruf"

Faeser wird ihr Amt in der kommenden Woche an ihren designierten Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) übergeben. Faeser habe ihn vorab informiert, ebenso wie den designierten Kanzler Friedrich Merz (CDU) und den designierten Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD). CSU-Parteichef Markus Söder nannte das Ergebnis des Verfassungsschutzes einen "finalen Weckruf".

"Die AfD ist insgesamt rechtsextremistisch", sagte der CSU-Chef. "Damit ist klar: Für Feinde der Demokratie kann es null Toleranz geben. Die Brandmauer steht weiterhin", fügte er hinzu. Die CSU habe einen klaren Kurs: "Keine Dämonisierung, aber eben auch keine Relativierung." Seine Partei wolle die AfD weiter inhaltlich stellen und durch gutes Regieren entlarven.

Bundestagsvizepräsidentin: Nicht wie normale Partei behandeln

Aus Sicht von Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) ist eine Wahl von AfD-Abgeordneten in das Bundestagspräsidium oder Ausschussvorsitze "kaum mehr denkbar". "Als gesichert rechtsextremistische Gruppierung ist die AfD keine Partei wie jede andere", sagte Lindholz der Nachrichtenagentur dpa. Deshalb solle sie auch nicht so behandelt werden.

"Jeder AfD-Abgeordnete muss sich vielmehr nun entscheiden, ob er zu unserer Grundordnung steht und aus der Partei austritt oder ob er prominenter Teil einer extremistischen Bestrebung sein will."

Grünen-Politiker: Brandgefährliche Partei

Führende Politiker der Grünen-Bundestagsfraktion begrüßten die neue Einstufung der AfD. Die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz sei auch ein "wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens bestellt ist", teilten Konstantin von Notz und Irene Mihalic mit.

"Die Partei steht nicht nur in weiten Teilen, sondern in Gänze mit unserer Verfassung und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf Kriegsfuß. Über Jahre konnte man ihrer weiter voranschreitenden Radikalisierung zusehen. Sie geht unaufhörlich weiter", erklärten die beiden Politiker. 

Die AfD sei eine für Demokratie und Rechtsstaat insgesamt brandgefährliche Partei. Die Sicherheitsbehörden seien verpflichtet, alles rechtsstaatlich Mögliche zu tun, um solche antidemokratischen Entwicklungen zu erkennen und ihren Teil dazu zu leisten, sie aufzuhalten.

AfD-Verbot: Linke will "alles dafür tun"

Die Linksfraktion im Bundestag will laut ihrer Chefin Heidi Reichinnek "alles dafür tun", dass ein Verbotsverfahren gegen die AfD auf den Weg gebracht wird. "Alle, die für eine Normalisierung der AfD geworben haben und es weiterhin tun, stärken damit Rechtsextreme und gefährden die Demokratie", sagte Reichinnek.

"Allen muss klar sein: Eine Demokratie überlebt eine Machtbeteiligung von Rechtsextremen wie der AfD nicht", so Reichinnek weiter. Gemeinsam müsse jedes Mittel zum Schutz der wehrhaften Demokratie genutzt werden. Niemand könne akzeptieren, "dass eine gesichert rechtsextremistische Partei unsere Demokratie von innen bekämpft und zerstört".

Der Parteichef der Linken, Jan van Aken, sagte: "Ich war früher immer gegen ein Verbotsverfahren." Denn mit einem Verbot bekomme man nicht die Ideologie aus den Köpfen. "Aber wenn wir uns nun anschauen, wie offen die AfD die Demokratie abschaffen möchte, sollten wir ihr nicht unsere schärfste Waffe - die Demokratie - an die Hand geben." Der Rechtsruck in der Gesellschaft müsse aber auch politisch bekämpft werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 02. Mai 2025 um 14:00 Uhr.