
Stolperstart von Kanzler Merz Deutschland hat eine neue Regierung
Der Weg dorthin war holprig, doch nun hat Deutschland eine neue Regierung: Nach der Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler im zweiten Anlauf sind er und sein Kabinett vom Bundespräsidenten ernannt und im Bundestag vereidigt worden.
Friedrich Merz ist neuer deutscher Bundeskanzler. Nach seiner Wahl legte der CDU-Politiker vor dem Bundestag den Amtseid ab. Dabei verwandte der Katholik Merz wie erwartet den Gottesbezug "So wahr mir Gott helfe". Zuvor hatte ihm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue die Ernennungsurkunde überreicht, womit die Amtsgewalt auf den neuen Bundeskanzler überging.
Auch die 17 Ministerinnen und Minister in Merz' neuem Kabinett wurden nach ihrer Ernennung durch den Bundespräsidenten im Bundestag vereidigt. Für den späten Abend ist die erste Kabinettssitzung anberaumt.
Im Schloss Bellevue rief Steinmeier zu Fairness im Umgang mit der neuen Bundesregierung auf. Die Regierung übernehme politische Verantwortung in einer Zeit mit großen Herausforderungen, sagte er nach der Überreichung der Ernennungsurkunden. "Es ist - ich sage das so klar - im Interesse unseres Landes, dass Sie Erfolg haben."
Die neue Bundesregierung trete in einer Zeit an, "in der vieles, was wir für stabil und sicher gehalten hatten, infrage gestellt, unterhöhlt oder gar offen attackiert wird", sagte der Bundespräsident. "Eine Zeit, in der wir neues Wachstum für unsere Wirtschaft brauchen, neues Vertrauen in unsere Demokratie, neue Wehrhaftigkeit nach innen und außen, neue Anstrengungen in der Diplomatie."
Historische Niederlage im ersten Wahlgang
CDU-Chef Merz löst den SPD-Politiker Olaf Scholz im Kanzleramt ab, dessen Ampelkoalition mit Grünen und FDP vor einem halben Jahr auseinandergebrochen ist. Doch Merz' Wahl zum Bundeskanzler ging ein historisch einmaliges Ereignis voraus: Am Vormittag hatte Merz im ersten Wahlgang noch die notwendige Mehrheit verfehlt. Er hatte in geheimer Abstimmung nur 310 Ja-Stimmen und damit sechs weniger als die nötige Mehrheit erhalten. Obwohl die Fraktionen von CDU/CSU und SPD nach eigenen Angaben vollzählig waren, müssen 18 Abgeordnete gegen Merz gestimmt haben.
Union und SPD hatten vor der Sitzung eigentlich mit voller Zustimmung für Merz gerechnet. An der SPD habe es nicht gelegen, versicherte die SPD auch sofort nach dem Debakel. "Auf uns ist Verlass", betonte der designierte Vizekanzler Lars Klingbeil nach Angaben aus Fraktionskreisen. Doch die Wahl war geheim, überprüfen lässt sich das Abstimmungsverhalten also nicht.
Vor zweitem Wahlgang Fristverkürzung durchgesetzt
CSU-Chef Markus Söder mahnte die Abgeordneten von Union und SPD, jetzt sei der falsche Zeitpunkt für Spielchen, Denkzettel oder die Begleichung alter Rechnungen. Es gehe bei der Wahl des Kanzlers auch nicht nur um eine Person, sondern um eine ganze Regierung.
Als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis des mühsam durchgesetzten zweiten Wahlgangs verlas, machte sich vor allem Erleichterung und nicht etwa ungetrübte Freude auf dem Gesicht des 69-Jährigen breit. Dieses Mal reichte es mit neun Stimmen Vorsprung - auch wenn noch immer nicht alle 328 Stimmen von Union und SPD für Merz abgegeben wurden. Für den zweiten Wahlgang am gleichen Tag musste zunächst mit einer Zweidrittelmehrheit eine Änderung der Geschäftsordnung erfolgen, was mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen und Linken gelang.
Merz zu erster Auslandsreise in Paris und Warschau erwartet
Die Erwartungen an eine neue deutsche Regierung sind hoch - im Inland, aber in diesen Zeiten vor allem auch im Ausland. Hierzulande hoffen die Menschen vor allem auf die Ankurbelung der seit Langem schwächelnden Wirtschaft. Dafür muss schnell ein Haushalt beschlossen werden. Weitere Schwerpunkte der neuen Regierung werden unter anderem die Bekämpfung der irregulären Migration, die Reform des Bürgergeldes und eine Anpassung der Rentenpolitik sein.
Außenpolitisch will Merz bereits ab Mittwoch Akzente setzen - dann wird er bei Deutschlands europäischen Partnern in Paris und in Warschau erwartet. Das Treffen mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron im Elysée-Palast sei kein protokollarischer Antrittsbesuch, sondern bereits ein Arbeitstermin, betonte der Elysée. Beide Seiten wollten frischen Wind in die deutsch-französischen Beziehungen bringen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Paris solle es bereits inhaltliche Erklärungen geben, etwa zur Energiepolitik, hieß es weiter.
Nach seinem Aufenthalt in Paris wird Merz in Warschau erwartet. In seinem Glückwunsch an Merz zur Wahl als Bundeskanzler schrieb Regierungschef Donald Tusk am Dienstag: "Wir sehen uns morgen in Warschau."