Ein Schiff und Helikopter der griechischen Küstenwache suchen nach einem gesunkenen Flüchtlingsboot (Archiv: 3. April 2025)

Nach Sinken von Flüchtlingsboot Frontex prüft Vorwürfe gegen Griechenland

Stand: 28.04.2025 20:55 Uhr

Seit Jahren gibt es Berichte, dass die griechische Küstenwache Migranten brutal zurückdrängt. Anfang April soll sie ein Boot gerammt haben, mindestens sieben Migranten ertranken. Nun prüft die EU-Grenzschutzagentur den Vorfall.

Den jüngsten Vorfall stuft die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) als besonders schwerwiegend ein: Anfang April ertranken mindestens sieben Migranten, darunter zwei Kinder, als ihr Boot angeblich von der griechischen Küstenwache gerammt wurde. Insgesamt laufen in der Agentur ein Dutzend Untersuchungen wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen an der griechischen Grenze.

Doch häufig fehlen klare Beweise, dass griechische Sicherheitskräfte Flüchtlinge gewaltsam in die Türkei oder in türkische Gewässer zurückdrängen. Oft ist auch nicht mehr zu klären, ob ein Boot tatsächlich bereits griechische Hoheitsgewässer erreicht hatte.

Athen bestreitet vehement, dass es systematische Pushbacks gebe und Flüchtlinge über die Grenzen abgeschoben würden, ohne die Chance zu haben, ihre Schutzbedürftigkeit individuell prüfen zu lassen. "Eine solche Verletzung europäischen Rechts hätte selbstverständlich Konsequenzen für unsere Arbeit", sagt Lars Gerdes. Der stellvertretende Exekutivdirektor der EU-Grenzschutzbehörde schließt in dem Zusammenhang auch aus, dass Frontex bei Menschenrechtsverletzungen bewusst wegschaue.

"Unser Menschenrechtsbeauftragter, der unabhängig von der Agentur arbeitet, prüft derzeit Hinweise auf mögliche Verstöße", so Gerdes. "Verstöße können natürlich Konsequenzen haben und deshalb prüft unser Exekuvtivdirektor Hans Leijtens diese sorgfältig und persönlich."

Griechenland droht Verlust von Finanzhilfen

In der Folge könnte Leijtens die EU-Kommission auffordern, Finanzhilfen einzufrieren oder ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland einzuleiten. Frontex selbst könnte seine Unterstützung reduzieren, beispielsweise einen Teil der Ausrüstung abziehen.

Derzeit stellt die EU-Grenzschutzbehörde Griechenland erhebliche Mittel zur Verfügung, wie Vizedirektor Gerdes erklärt: "Aufgrund der zahlreichen Inseln und der langen Seegrenzen spielt das Land eine wichtige Rolle im Kontext illegaler Migration nach Europa." Daher unterstütze Frontex Griechenland aktuell mit fast 700 Einsatzkräften, Patrouillenfahrzeugen, neun Schiffen und einem Flugzeug.

Balanceakt für Frontex

In letzter Konsequenz könnte die EU-Grenzschutzagentur nach Artikel 46 ihrer Verordnung, die Mission in Griechenland beenden. Für die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont ist das keine gute Option, weil in Brüssel dann niemand mehr wisse, was vor Ort passiere.

Die Vorsitzende der parlamentarischen Arbeitsgruppe Schengen- und die Außengrenzen plädiert dafür, Frontex mehr Vollmachten zu geben, um besser Menschrechtsverletzungen der nationalen Sicherheitsbehörden reagieren zu können: "Damit wir am Ende unsere Augen und Ohren vor Ort behalten, gleichzeitig aber auch sicherstellen können, dass die Agentur nicht in schwierige Fahrwasser kommt", so Düpont.

Die Sicherung der EU-Außengrenzen zu unterstützen und gleichzeitig die Einhaltung der Menschenrechte zu überwachen, ist oft ein Balanceakt für die Frontex-Beamten. Umso mehr, als die Einsatzleitung bisher immer beim jeweiligen EU-Mitgliedsstaat liegt. Griechenland ist da für die EU ein ebenso schwieriger wie aber vor allem auch wichtiger Partner. Denn auch wenn die irregulären Grenzübertritte insgesamt zurückgehen, ist die Route über Griechenland noch immer eine der meistfrequentierten, auf der hauptsächlich Menschen aus Afghanistan, Pakistan und Syrien in die EU kommen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 28. April 2025 um 17:12 Uhr.