Baumwollpflücker fahren bei der Ernte über ein Feld im Wangdaozhai Township in der nordchinesischen Provinz Hebei.

Chinas Anti-Sanktionsgesetz Weiterer Rückschlag für die Beziehungen

Stand: 16.06.2021 10:30 Uhr

China hat mit dem Anti-Sanktionsgesetz ein Instrument gegen ausländische Firmen geschaffen. Wer sich an Strafen der EU oder der USA gegenüber Peking hält, dem droht Vergeltung. Die Industrie ist verunsichert.

Viele ausländische Wirtschaftsvertreter bewerten das neue Anti-Sanktionsgesetz als einen weiteren Rückschlag für das Verhältnis zwischen Europa und China. Gewohnt deutlich meldete sich die Europäische Handelskammer zu Wort, der größte Lobbyverband ausländischer Unternehmen in der Volksrepublik.

Das Gesetz politisiere den Umgang mit China weiter, so die Kritik. "Im Grunde genommen geht das von Verunsicherung bis Schock", beschrieb Kammerpräsident Jörg Wuttke die Reaktionen der Mitgliedsfirmen.

"Souveränität unantastbar"

Mit dem neuen Anti-Sanktionsgesetz kann die kommunistische Führung in Peking künftig ausländische Unternehmen bestrafen; zum Beispiel wenn diese Sanktionen etwa der EU oder USA befolgen, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen in China richten.

Das könnte zum Beispiel die Texttilindustrie treffen: Falls die EU beschließen sollte, Baumwollfirmen aus der Region Xinjiang zu sanktionieren, weil es dort starke Hinweise auf Zwangsarbeit gibt, dann könnte Chinas Führung ausländischen Textil- und Sportartikelherstellern umgekehrt sagen: Ihr dürft in China nur dann weiter Geschäfte machen, wenn ihr ausdrücklich Baumwolle aus Xinjiang verwendet. 

"China zeigt mit diesem Gesetz, dass die Souveränität, die Würde, die Kerninteressen und die Entwicklungsinteressen der Volksrepublik unantastbar sind", verteidigte der Staatsrechtler Li Qingming von der staatlichen Chinesischen Akademie für Sozialstudien die Maßnahme im Fernsehsender CCTV. Der Staat verteidige all das. "Wir widersetzen uns entschieden dem Hegemonialstreben und der Machtpolitik des Westens."

Rechtssicherheit für die Regierung

Ausländische Beobachter in China kritisierten, dass das Gesetz vieles im Unklaren lässt. "Nebulös" sei das Ganze, sagte ein europäischer Diplomat der ARD. Klar ist aber, dass sich durch das Anti-Sanktionsgesetz in der Sache wohl nicht viel ändern wird.

Denn die Volksrepublik ist kein Rechtsstaat, und auch ohne rechtliche Grundlage hat die kommunistische Führung in der Vergangenheit immer wieder ausländische Firmen und sogar ganze Staaten bestraft. Mit dem neuen Gesetz kann die Regierung nun aber mit unbequemen ausländischen Akteuren vermeintlich rechtssicher umgehen.

"Text sehr vage gehalten"

Der Präsident der Europäischen Handelskammer, Wuttke, nannte das Gesetz einen neuen "Werkzeugkasten" der Regierung. "Man kann sich Sorgen machen, wenn man den Text sieht. Der Text ist - typisch chinesisch - sehr vage gehalten. Man könnte also alles hineininterpretieren", sagte er. Der Gesetzentwurf, den die Mitglieder nur als fertiges Gesetz gesehen hätten, beziehe sehr weite Kreise mit ein. Selbst Familienmitglieder und Subunternehmen könnten abgestraft werden.

Die Verabschiedung des Anti-Sanktionsgesetzes hat für viel Unsicherheit bei ausländischen Firmen in China gesorgt. Es gibt aber auch andere Stimmen. Der Leiter eines deutschen Mittelstandszentrums in Kunshan bei Shanghai sagte der ARD: Viele deutsche Unternehmen, mit denen er zu tun habe, nähmen derlei Nachrichten gelassen zur Kenntnis. Nach der Devise: An den Entscheidungen der Staatsführung in Peking könne man sowieso nichts ändern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete mdr aktuell am 16. Juni 2021 um 09:48 Uhr.