
Jahresbericht Amnesty sieht "globale Menschenrechtskrise"
Kriege, Unterdrückung, Gewalt gegen Frauen und Minderheiten: Amnesty International attestiert der Welt eine globale Krise der Menschenrechte. Mit der Wiederwahl von US-Präsident Trump habe sich der Negativ-Trend verschärft.
Die Welt in einer "globalen Menschenrechtskrise" mit US-Präsident Donald Trump als "Brandbeschleuniger": Amnesty International zeichnet im aktuellen Jahresbericht eine düstere Prognose für die kommenden Monate.
Mit Trumps Wiederwahl drohe "das Ende der Regeln und Einrichtungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurden, um Frieden, Freiheit und Würde aller Menschen auf der Welt zu sichern", sagte Generalsekretärin Julia Duchrow.
100 Tage nach Amtsantritt der neuen US-Regierung hätten sich "die Negativ-Trends der letzten Jahre verschärft". Das Abschneiden von "humanitärer Hilfe bringt Gefahr für Millionen Menschen", sagte Duchrow. In den USA soll die insbesondere auch für Afrika bedeutende Entwicklungshilfebehörde USAID bis zum 1. Juli zerschlagen werden.
Trumps "Spur der Verwüstung"
Wir sehen furchterregende Entwicklungen, und es scheint, als würde diese Regierung eine neue Ära autoritärer Praktiken einläuten, wobei sie gleichzeitig eine Spur der Verwüstung, Verwirrung und Angst hinterlässt", sagte Nadia Daar von der US-Abteilung der Organisation. "Präsident Trump hat Normen und Institutionen ausgehöhlt und dadurch einen menschenrechtlichen Notstand geschaffen."
Daar nannte unter anderem die Abschiebung von Kilmar Ábrego García und anderen nach El Salvador als Beispiel. Der Präsidentenerlass, DEI-Maßnahmen zurückzufahren, sei ein "unverhohlener Angriff" auf die Menschenrechte. "DEI" steht für Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion.
"Wir erleben eine tyrannische und chaotische Außenpolitik, die mit unverhohlenen Drohungen militärischer Maßnahmen und Zöllen weltweit für wirtschaftliches Chaos und Verwirrung sorgt", sagte Daar.
Situation in 150 Ländern untersucht
International sei zu beobachten, dass Menschenrechtsverletzungen "nicht mehr geleugnet oder vertuscht, sondern ausdrücklich gerechtfertigt" würden, sagte Duchrow. Weltweit sei eine Zunahme der Konflikte zu sehen. "Wir erleben einen epochalen Bruch: Rechtsstaat, Völkerrecht und Menschenrechtsschutz werden von einer Vielzahl von Staaten missachtet und angegriffen", so Duchrow.
Im Jahresbericht, der die Lage in 150 Ländern darstellt, würden unter anderem "brutale Taktiken zur Unterdrückung von Andersdenkenden, fatale Folgen für die Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten" sowie unzureichende Bemühungen "zur Bewältigung der Klimakrise" dokumentiert.
Generalsekretärin Duchrow nannte insbesondere den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie den Gaza-Krieg als Beschleuniger der globalen Menschenrechtskrise. Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen sei "völkerrechtswidrig", die internationale Gemeinschaft dabei weitgehend tatenlos, sagte Duchrow.
Amnesty wird für eine einseitige Bewertung des Gaza-Krieges kritisiert. Der auch im aktuellen Bericht aufgeführte "Völkermord"-Vorwurf wird von der amtierenden Bundesregierung nicht geteilt. Einen gesonderten Amnesty-Bericht dazu hatte die israelische Regierung als "vollständig falsch" bezeichnet.
Auslöser des Gaza-Krieges war das Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen am 7. Oktober 2023 mit 1.200 Toten und etwa 250 Verschleppten.
Kritik an der neuen Bundesregierung
Amnesty bekräftigte deutlich die Kritik an Plänen der neuen Bundesregierung. Diese müsse sich "als Sprachrohr der Menschenrechte" verstehen. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD "lässt aber das Gegenteil befürchten", sagte Duchrow. Sie führte als eines von mehreren Beispielen an, dass behauptet werde, Familien stünden im Mittelpunkt. "Gleichzeitig gehen sie im Asylrecht gegen Familiennachzug vor", sagte Duchrow.
Weitere Kritikpunkte der Organisation sind unter anderem die Pläne zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung sowie jene zur Abschaffung des Lieferkettengesetzes, das sicherstellen soll, dass bei Produkten, die im Ausland für den deutschen Markt hergestellt werden, bestimmte Arbeits- und Umweltstandards eingehalten werden. "Dieses Regierungsprogramm ist ein menschenrechtliches Armutszeugnis und ein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit", sagte Duchrow.
Auch positive Entwicklungen
Zugleich gebe es aber auch positive Entwicklungen: So hätten sich im vergangenen Jahr weltweit viele Menschen gegen Unrecht und Unterdrückung zur Wehr gesetzt, etwa in Georgien gegen ein repressives Gesetz gegen Nichtregierungsorganisationen und in Südkorea gegen den früheren Präsidenten, als dieser das Kriegsrecht verhängte.
Ein anderes Beispiel, das Duchrow nannte, ist die Aufnahme der "Freiheit zum Schwangerschaftsabbruch" in Frankreichs Verfassung. Die Neuregelung hatten unter anderem die französischen Bischöfe kritisiert und erklärt, Abtreibung bleibe ein Angriff auf das Leben und könne nicht nur aus dem Blickwinkel der Frauenrechte betrachtet werden.